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Der Autor

Petra Häfner lebt in Nürnberg. Nach dem Studium der Soziologie, Psychologie und Interkulturellen Wirtschaftskommunikation an der Friedrich-Schiller-Universität Jena war sie als Doktorandin am Max-Weber-Kolleg in Erfurt tätig. Sie hat viele journalistische Erfahrungen gesammelt (u.a. bei der Prager Zeitung) und seit 2019 arbeitet sie als freiberufliche Texterin und Autorin.

Neulich ist ihre Kurzgeschichte „Handlauf“ in der Anthologie „100 Bilder 200 Geschichten. Alles eine Frage der Perspektive“ (Ella Stein & Tom U. Behrens, 2021) erschienen.

Im Oktober 2022 ist sie Stipendiatin im Prager Literaturhaus (in Zusammenarbeit mit dem Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller Mittelfrankens, der Stadt Nürnberg und der Faber-Castell-Akademie Stein).

Bildnachweis:
© Prager Literaturhaus
| | Feuilleton | 20.10.2022

Einkehr I/II: Ohne Wecker den Tagesanfang finden

Wenn die Sinne auf Empfang gestellt sind und alles aufsaugen, was in der neuen Umgebung ist. Riechen, hören, sehen, schmecken, sich wundern. Dann muss man schreiben. Bevor es alltäglich wird und man es nicht mehr in all seinen Details wahrnimmt. Sich nicht mehr wundert. Keine Worte mehr dafür sucht.

Morgens:

Die Morgende sind nicht meins. In der Natur wäre ich eine Eule. In der Stadt macht es mich oft blind für die Tagesanfänge, das urbane Erwachen. In den ersten Tagen versuche ich auszuschlafen, ohne Wecker den Tagesanfang finden. Ich beziehe das Schlafzimmer nach hinten raus, das erstaunlich ruhig ist, obwohl die Wohnung so zentral liegt. An diesen Morgenden höre ich eigentlich nur mich und das ist laut genug. Innere Einkehr – dazu habe ich mich entschieden.

Irgendwann, nachdem die ersten Tage vergangen sind, bemerke ich die Tauben. Zwischen sieben und acht Uhr morgens nehmen sie Landeanflug auf das Brett vor meinem Schlafzimmerfenster. Ihr Revier haben sie ausreichend und unübersehbar markiert. Ich kenne die Geräusche von früheren Dachwohnungen: das Gurren, der Flügelschlag, der die Luft geräuschvoll zerteilt, die Revierrangelei zwischen zwei Tieren. Meist bleiben sie nicht lange vor meinem Fenster. Darüber bin ich froh.

Schon am ersten Morgen tue ich intuitiv, was in den Folgetagen mein Morgenritual werden wird. Ins Nebenzimmer gehen, die Fenster zur Moldau hin aufreißen, dem Fluss zuzwinkern und der Burg. Auf den Waldhügel gegenüber blicken: Petřin. Das Wort manchmal für mich selbst laut aussprechend, um die Aussprache des ř zu üben. Das Wetter checken. Meist ist es sonnig, der Oktober zeigt sich von seiner güldenen Seite. Ganz selten verstecken sich der Morgen und der Petřin-Hügel im Nebel. Er wird seine Farbe verändern, während ich hier bin, der Waldhügel gegenüber. Ich werde beobachten können, wie der Herbst in ihm wächst und das Grün verdrängt.

Lüften.

Beim Öffnen der Fenster fallen mir manchmal vertrocknete Spinnenkörper entgegen, manchmal ist ein lebendiger dabei, der schnell das Weite sucht. Ob Spinnen Höhenangst haben können und Großstadtstress? Habe mal gelesen, dass Vögel in den Großstädten anders singen als auf dem Land. Vielleicht weben Spinnen ihre Netze an Großstadtfenstern anders als in Schuppen auf dem Land.

Egal. Ich gehe zurück ins Bett, um meine Morgenseiten zu schreiben. Die Nacht vertreiben. Schon nach zwei Tagen bemerke ich, wie mein Schreiben sich verändert. Tiefere Reflexionen, Ideen. Blicke ich vom Schreiben auf, sehe ich den oberen Teil des Hügels gegenüber. Vom Nebenzimmer rauscht der Verkehrslärm rein. Zu Hause liegt meine Wohnung mitten in Nürnberg unweit vom Verkehrsknotenpunkt Plärrer. Schreibe ich dort in meinem Bett bei geöffnetem Fenster Morgenseiten stört mich der Verkehrslärm enorm. Hier wird er mein Anker, meine Vergewisserung, Teil einer Außenwelt zu bleiben, auch wenn ich nach innen schaue.

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