Konfetti, Alkohol und ausgelassene Feierei am britischen Hofe, Edward wurde zum König gekrönt. Sein Bruder Richard betritt humpelnd, mit buckligem Rücken und missgestalteten Füßen die Bühne und auch er schließt sich der dekadenten Gesellschaft ein. Doch dem Zuschauer wird augenblicklich klar, dass er nicht in das ästhetische Bild der Monarchie passt.
Die Szene endet. Zurück bleibt Richard. Die One-Man-Show beginnt.
Er schnappt sich das von der Decke hängende Mikro und eröffnet dem Publikum seine innersten Gedanken in einem für Shakespeares Protagonisten typischen Monolog: Wenn er schon nicht Teil einer Gesellschaft der vom Schicksal Begünstigten sein kann, will er sie wenigstens beherrschen. Alle Mittel sind recht. Gemordet hat er bereits, und morden wird er wieder. Das Schlagzeug setzt ein und Richard rappt Passagen aus dem englischen Original. Die Inszenierung von Thomas Ostermeier ist zwar modernisiert, aber in der Abfolge von Beginn an erwartbar. Die eigentliche Brillanz des Stückes ist das monströse Wesen des Bösen.
Richard verführt die Frau seines Opfers, setzt sich mit seinem nackten Gesäß auf das Gesicht seines toten Bruders und lässt Kinder ermorden. Seine Taten widerstreben jeglicher Norm. Und dennoch, ist es zu simpel in Richard nur einen Psychopathen zu sehen. Während der Aufführung frage ich mich bereits, ob das gerade Empathie ist, was ich verspüre? Für den Bösewicht Richard? Es ist ein Drahtseilakt zwischen dem monströsen Wesen des Bösen und dem charmanten Schleier des Guten, den Lars Eidinger in der Rolle des Richards grandios meistert. Auf der einen Seite hemmungslos, animalisch und manipulativ, andererseits ist auch er nicht frei von Zweifel, Angst und Zerbrechlichkeit. Diese menschlichen „Überbleibsel“ gepaart mit der Schauspielerleistung von Eidinger, die Irritationen aus dem Publikum (Zuschauer fotografieren ihn während er nackt herumwirbelt) humorvoll in das Stück einbaut und die Fähigkeit hat, auch in dieser dunklen Atmosphäre zu leuchten, verursachen, dass man trotz allen Übels eine Art von Sympathie für Richard empfindet.
In ein enges Korsett geschnürt und mit einer schwarzen Krone bestückt, beschmiert er sich feierlich das Gesicht mit weißer Dessert-Creme. Alle Konkurrenten wurden ausgelöscht. Er gewinnt die Krone für sich, doch verliert gleichzeitig immer mehr den Verstand. In seiner letzten Nacht suchen ihn seine Opfer in dämonischen Albträumen heim, er fechtet gegen sie, rennt vor ihnen weg, doch kann sie nicht abschütteln. Die Angst vorm bösen Mann verfliegt – Richard hängt kopfüber wie ein geschlachtetes Tier von der Decke. Er ist tot.