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prag aktuellprag aktuell | Rubrik: Bildende Kunst | 7.12.2015
Zwei Ausstellungen von Marek Schovánek: "Propaganda" im DOX und "The Anarchist Cookie Shop" im Tanzenden Haus / Von Gerd Lemke

Prag - Derzeit ist der "beste unbekannte Künstler der Welt" (so der Begleittext zur Ausstellung), Marek Schovánek, in seiner Geburtsstadt Prag in zwei Ausstellungen zu entdecken. Im Zentrum für zeitgenössische Kunst DOX im 7. Prager Bezirk läuft seit Ende Oktober die große retrospektive Ausstellung "Propaganda". Sie präsentiert die bisherigen Schaffensphasen des in Berlin ansässigen Künstlers, die geprägt sind von der Auseinandersetzung mit Ideologien, Weltanschauungen und den Lügen, die dem Menschen das Alltagsleben bewältigen lassen. Schovánek schafft es dabei immer wieder, auf verblüffend augenfällige Art und Weise diese existenziellen Fragen aufzuwerfen.

In der Serie "Jäger und Sammler" von 2009 etwa arbeitet er Teile von Einkaufswägen zu Hirschgeweihen um, die sich der Schnäppchenjäger als Trophäe seiner Pirsch an die Wand hängen kann. Picasso benutzte einst einen Fahrradsattel und einen Fahrradlenker und hatte seinen Stierkopf fertig. Beides, Stierkopf und die benutzten Gegenstände gleich präsent. Bei Schovánek nun Teile von Einkaufswägen als Hirschgeweih - präsentiert in erstaunlich zahlreichen Varianten.

In einer anderen Serie, die Schovánek bereits vor zwei Jahren im DOX präsentiert hat, setzt er sich mit den Glücksversprechen der Pharma-Industrie auseinander. Dazu schafft er Objekte aus lakiertem Holz, teilweise mit eingängigen Slogans wie "love", "hate" oder "happy" beschriftet, die täuschend echt den kleinen Helfern aus der Apotheke gleichen. Außer natürlich, dass diese Pillen unverdaulich sind und keinerlei Risiken oder Nebenwirkungen haben. Die Wirkung dieser Objekte entsteht erst durch die Vielzahl und die geschickte Installierung im Raum, ähnlich der hölzernen Fische, die einen Gang in den Räumen vom DOX überschwemmen.

Mit Malerei hat sich der mittlerweile Fünfzigjährige in seiner Karriere ebenfalls beschäftigt. Dabei zeigt sich die Neigung, Schrift und Bild zusammen wirken zu lassen oder die Malerei in einen Objektkontext zu setzen, etwa in Form von Rubiks Zauberwürfel, auf den der Künstler statt sechs unterschiedlicher Farben verschiedene Gemälde auf die Flächen verteilt.

Unverdauliche Weihnachtsplätzchen im Tanzenden Haus

Marek Schovánek ist Teil der heute bereits legendären Berliner Künstlergemeinde, die sich nach der Wende aus aller Welt - er selbst aus Kanada - in der wiedervereinigten Stadt gefunden hat. Seit den 1990er Jahren ist er auch immer wieder in Prag präsent, Mánes, NoD oder DOX sind einige Stationen auf seinem Weg, Prag mit der großen internationalen zeitgenössischen Kunst bekannt und vertraut zu machen. Nun zeigt DOX noch bis 11. Januar 2016 seine Retrospektive, gekrönt durch einen voluminösen Katalog.

Was macht ein Künstler aber mit fünfzig, wenn ihm bereits eine Retrospektive gewidmet wird? Na klar, die nächste Ausstellung, diesmal in der Galerie im Tanzenden Haus. Passend zur Vorweihnachtszeit hat sich Schovánek in die Küche begeben und Plätzchen gebacken. Die unverdaulichen Resultate hängen in der Galerie Art Salon S im Erdgeschoss des Tanzenden Hauses an der Wand - eine Serie von Pistolen, eine Schale voll Handgranaten, Spritzen für Junkies. "The Anarchist Cookie Shop" präsentiert auf einem überschauliches Tableau die einst so beliebten "Kreuzberger Mai-Festspiele", Straßenschlachten zwischen Polizisten und Demonstranten. Daneben steht ein Miniaturstrand mit Dutzenden Teigmännchen, die sich faul an einem Strand räkeln: Tourismus ist Terrorismus lautet der Titel dazu.

Aus Munchs ikonenhaftem Bild "Der Schrei" macht Schovánek seine "Munchies", indem er eine Anzahl Plätzchen auf das Gemälde installiert, die an den Kopf des Originals erinnern. Auch eine lustige Winterszene bei Bruegel fehlt nicht, auf der betrunkene Teigmännchen so allerhand Verrenkungen aufführen. Natürlich arbeitet Schovánek auch wieder mit Sprache, die wichtigsten anarchistischen Slogans hängen in Teig gebacken an der Wand. Eine Spezialität ist die Figur das "Sündenessers", einer Figur, die in verschiedenen kultischen Gemeinschaften durch ihren Tod die Sünden der Überlebenden vertilgt. Diese Leiche in Marzipanüberzug kitzelt süß in der Nase und erinnert wieder an die Vorweihnachtszeit. Auch diese Ausstellung ist bis Mitte Januar zu besichtigen.

Weitere Infos: www.dox.cz, www.artsalons.cz Themen: Marek Schovánek, Ausstellungen, Lokales, Prag

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