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| | Musik | 24.1.2011

Godspeed You! Black Emperor im Palác Akropolis: Ein reinigendes Klanggewitter

Den ganzen Tag ist man von Geräuschen und Klängen umgeben: Das Klingeln des Weckers, das Blubbern der Kaffeemaschine, Autos, die am Fenster vorbeifahren, aufgeschnappte Gesprächsfetzen, Kinderlachen, Musik natürlich (teils gewollt und teils ungewollt). Ein einziges großes akustisches Rauschen eben. Da ist auch ganz schön viel Müll dabei, den die Ohren Tag für Tag schlucken müssen, wenn man mal drüber nachdenkt.

Doch es gibt ein Gegenmittel: Musik, auf die man sich fokussieren und die man in sich aufnehmen muss. So wie die des kanadischen Musikerkollektivs Godspeed You! Black Emperor. Mit Gitarre, Bass, Schlagzeug, Geige, Glockenspiel und Cello kreiert die Gruppe atmosphärische Klangwelten. Die Musik klingt dabei häufig traurig oder gar verzweifelt, doch immer wieder blitzt auch Hoffnung durch. Eine Art apokalyptische Endzeitvision einer Welt, die dann doch immer weiter geht. Und wenn man den rein instrumentalen, ellenlangen und komplexen Songs lauscht, erscheint die schon immer idiotische Unterscheidung zwischen U- und E-Musik gleich noch idiotischer.

Auch wenn die Band komplett auf Gesang verzichtet, hatte sie stets eine politische Botschaft, die sie hauptsächlich über ihre Coverartworks, aber auch durch Sprachsamples in den Songs nach außen trug. Eine Unzufriedenheit mit dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Status Quo ebenso wie mit der Hochglanzwelt der Pop- und Rock-Musik, in der häufig Geld und Stars im Vordergrund stehen.

Godspeed You! Black Emperor waren zu erhaben und ernsthaft, um lange zu bestehen. Nach drei Alben und einer EP wendeten sich die Mitglieder im Jahr 2003 diversen anderen Projekten zu (das bekannteste davon ist A Silver Mt. Zion) und legten die Band auf Eis. Doch nun sind sie wieder zurück, nach über sieben Jahren Pause. Warum, wissen wohl nur sie selbst genau, wollen es aber nicht sagen. Die Band war stets für ihr Schweigen bekannt. Das war schon damals, um die Jahrtausendwende herum sehr ungewöhnlich, heute – in Zeiten von Facebook, Myspace und Twitter – erscheint es noch anachronistischer. Aber ist ja auch unwichtig, was zählt ist die Musik.

Um die zu zelebrieren und zu verbreiten spielen Godspeed You! Black Emperor einige Konzerte in Europa und kommen dabei auch nach Prag. Der früher hauptsächlich als Theater genutzte Palác Akropolis erweist sich dafür als durchaus geeignet. Vom Balkon aus hat man einen guten Ausblick auf die Bühne, und der Sound klingt dort oben differenziert und druckvoll.

Auch wenn es auf den Bildern anders wirkt, die Bühne ist gut ausgeleuchtet, die acht Musiker sind in warmes Licht getaucht. Alles ist fein säuberlich arrangiert, Verstärker türmen sich im am Rand auf, auf dem Boden liegen Effektgeräte und alle möglichen anderen Klangerzeuger. Ein Teil der Band spielt im Sitzen, und auch der andere Teil bewegt sich nicht mehr als nötig.

Auch das Publikum fällt nicht gerade durch Leibesertüchtigung auf. Der Saal ist gut gefüllt und die Leute stehen mehr oder minder regungslos da, verträumt und in die Musik versunken. Es ist ein irgendwie durchschnittlich zusammengewürfelter, friedlicher Haufen, der sich heute Abend zusammengefunden hat. Man kann tschechisch, englisch und deutsch hören.

Zwischenzeitlich ist die Musik so leise, dass man das Rattern des Filmprojektors hören kann. Auf einer Leinwand hinter den Musikern werde Bilder gezeigt, die allerdings nie so aufdringlich sind, dass sie von der Musik ablenken würden. Zu sehen gibt es Zugstrecken, eine brennende Stadt oder verlassene Gegenden.

Dann türmen sich die Klänge auf, langsam, Schicht für Schicht. Zu der klagenden Geige gesellt sich das sonore Cello, Gitarrenmelodien erklingen. Irgendwann steigen auch Bass und Schlagzeug ein, die Lautstärke steigt und steigt.

Stellenweise wird es dann laut, wirklich laut. Die drei Gitarren kreischen und dröhnen und die beiden Schlagzeuge unterlegen sie mit einem stampfenden Rhythmus. Das Spiel mit der Dynamik wird bis an die Grenze ausgereizt. Die Zeit verrinnt, während man die Musik in sich aufsaugt und das reinigende Klanggewitter genießt.

Nach knapp zwei Stunden ist es vorbei. Die Ohren sind berauscht und leicht betäubt. Das Licht geht an und ist viel zu grell, Jazzgedudel ertönt. Willkommen zurück im Alltag. Doch auf dem Nachhauseweg hallt es noch nach, das eben Gehörte. Während der frisch gefallene Schnee unter den Schuhen knirscht, ist der Kopf voller Bilder und das Herz voller Klänge.

Bildnachweis:
Jonas Trautner

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