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Der Autor

Felix Krakau (geb. 1990 in Hamburg) studierte Theaterregie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main und Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Er machte Praktika beim Schauspiel Frankfurt, bei der Schaubühne Berlin und den Salzburger Festspielen. Als Regisseur und Dramatiker arbeitete er u.a. am Düsseldorfer Schauspielhaus, Schauspielhaus Wien, Theater Bremen, Volkstheater Wien, Schauspiel Essen sowie an den Staatstheatern Darmstadt und Augsburg. Seine Stücke werden vom Rowohlt Theater Verlag vertreten und regelmäßig nachgespielt.

Im November 2024 ist Felix Krakau ein Stipendiat des Prager Literaturhauses und arbeitet an seinem Debütroman sowie einem Theater-Kafka-Projekt.

Bildnachweis:
© Anna Frida Sorgalla

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| | Feuilleton | 25.11.2024

Da ist sie ja, die Stadt

Das letzte und bisher einzige Mal in Prag war ich mit ca. sechzehn, siebzehn, bei einem Schulausflug und alles was mir geblieben ist von dieser jugendlichen Episode sind Erinnerungen an Pub Crawls und Großraumdiskotheken (auch ein kleiner Flirt stand im Raum, aus dem sich aber weiter nichts ergab) und diese Assoziationen muss man erstmal rausbekommen aus dem Kopf. Ich gebe also mein Bestes und spaziere durch die Stadt, um mich mit neuen Eindrücken und perspektivisch neuen Erinnerungen aufzuladen und wehre mich gegen den Drang, alles Erlebte direkt in Literatur zu verarbeiten, es also zu verwerten, und einfach erst mal nur vor Ort zu sein.

Ohnehin ist das ja die Krux jeder Residency bzw. vielleicht auch des Schreibens selbst: Dass man entweder schreiben oder vor die Tür gehen kann, aber nicht beides gleichzeitig. So bin ich hier, um Eindrücke zu sammeln, die Stadt auf mich wirken zu lassen, und gleichzeitig ziehe ich mich so oft es geht an den Schreibtisch zurück, um zu arbeiten. Drinnen vermisse ich dann das Draußen und Draußen das Drinnen. Eine Balance, die man erstmal finden muss. Vor allem in den vier Wochen, die ich hier sein werde, was eine lange Zeit ist für einen Städtetrip und eine kurze, für einen Aufenthalt, in dem sich auch eine Form des Alltags einstellen soll. Ich versuche, die Reise abzuschütteln, packe den Koffer aus und fülle den Kühlschrank, lasse den ersten Trubel hinter mir, komme zur Ruhe. Ich stehe auf, wenn es Zeit ist, und setze mich an den Schreibtisch, um das Tageslicht auszunutzen, so lange es noch da ist. Am Nachmittag und Abend dann raus in die Stadt. Routinen entwickeln, auch wenn mir das noch nie im Leben wirklich gelungen ist.

Die ersten Tage heißt es: den Blick zu fokussieren, Konzentration zu finden, in den Text zu kommen. Einen Zugang finden, einen Gedanken, einen Satz, wenigstens ein Wort. Sich einen Ausgangspunkt erarbeiten. Mögliche Ausgangspunkte: Das ziellose Spazieren, das Erkunden der Kneipen, das Gucken, Staunen, Sich-Wundern, das Ablauschen der Worte (bisher keine Gespräche), das Besuchen bekannter und unbekannter Plätze, und dann natürlich, wie sollte es anders sein: Kafka. An dem kommt man hier nicht vorbei und ich würde es auch gar nicht wollen. Literatur von und über ihn habe ich aus Deutschland mitgebracht: Kafkas Leben, Kafkas Prag, Kafkas Tagebücher, Kafkas Kafka Kafka. Ebenfalls aus Deutschland mitgebracht habe ich, so scheint es, das Theater, das mich auch hier nicht loslassen will.  Momentan findet das Prager Theaterfestival deutscher Sprache statt, mit zahlreichen Gastspielen aus dem deutschsprachigen Raum. Bekannte Namen und Gesichter, ein Heimkommen im Ankommen. So verbringe ich die ersten Tage mit Neuem und Altbekanntem, Schritt für Schritt tut sich die Stadt vor mir auf, jetzt bin ich da.

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