Pilsen - Wenn Pilsen das Wimbledon des Biers ist, dann ist das Na Parkánu sein Central Court. In dem Lokal dreht sich alles um ein Original, das Pilsen mehr Ruhm eingebracht hat als Karel Gott, der wohl berühmteste Sohn der Stadt. Was in der urigen Wirtschaft am Rande der Pilsner Altstadt gezapft wird, ist eine echte Seltenheit: der Urtyp des Pilsner-Urquell-Biers, herb, hefetrüb und ungefiltert wie vor 100 Jahren.
Bier dieser Brauart reist nicht besonders gut und taugt daher wenig für den Export. Aus diesem Grund ist das Na Parkánu der einzige Ort auf der Welt, wo man den Prototyp des Originals tagtäglich probieren kann - ein Genuss, den sich nicht nur Bildungsreisende in Sachen Bier gern gönnen, sondern auch viele Einheimische, wie ich bei einer Stippvisite in Pilsen bemerkt habe.
Šenk Na Parkánu, das klingt auf tschechisch befremdend. „Šenk“ ist dem deutschen "Schänke" entlehnt, wie eine ganze Reihe anderer Ausdrücke der böhmischen Wirtschafts-Sprache, etwa „štamgast“ (Stammgast), „šnit“ (eine nur etwa zur Hälfte eingeschenkte Halbe) oder „kíbic“ (ungebetener Beobachter beim Kartenspiel). So ungewöhnlich der Name, so überraschend ist auch das ganze Lokal.
Das Na Parkánu hätte zwar alle Voraussetzungen zu einer teuren Touristenschwemme: Spitzenlage in einem mehrere Jahrhunderte alten Haus, direkt neben dem Braumuseum, dazu der Urquell-Prototyp als Bier-Rarität. Stattdessen finde ich ein gemütliches, rustikal eingerichtetes Wirtshaus vor, wo die meisten Gäste offenbar Einheimische sind – viel junge Leute auf der Terrasse vor dem Lokal, drinnen ältere Herrschaften, einige spricht der Kellner mit Namen an.
An meinem Nachbartisch sitzen zwei ungarische Familien und tafeln im großen Stil: Gegrillte Schweinshaxen mit Bratkartoffeln und Sauerkraut, Biergulasch mit Semmelknödeln und Wurstplatten werden serviert. Wenn draußen keine 30 Grad im Schatten wären, würde ich vielleicht ähnlich zuschlagen. So aber lasse ich mir die Tagessuppe servieren, eine Rinderbrühe mit etwas Gemüse, und nehme als Hauptgericht eine kleine Portion böhmischen Schweinebraten mit Kartoffelknödeln.
Das Essen hält genau, was das rustikale Ambiente verspricht: leckere, deftige Hausmannskost, wie man sie in Böhmen schätzt – hervorragend in den kühlen Monaten, aber nicht unbedingt das Richtige an einem tropenheißen Tag. Uneingeschränkt witterungskompatibel dagegen das Bier: kühl, frisch und kräftig. Mir fällt keine Jahreszeit ein, die dazu nicht passen würde. (gp)