Prag - Ein wegweisendes Urteil mit möglicherweise weitreichenden Folgen für den tschechischen Arbeitsmarkt fällte im Juli das Oberste Gericht in Brünn.
Wie tschechische Medien heute berichten, haben Eltern, die sich um Kinder unter 15 Jahre kümmern, demnach grundsätzlich Anspruch auf ein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis.
Der Arbeitgeber müsse einem entsprechenden Antrag seiner Angestellten entsprechen, es sei denn, dass die Teilzeitstelle nachweisbar das Funktionieren des Unternehmens oder des Amtes gefährde.
Im konkreten Fall, auf den die Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny heute aufmerksam machte, entschieden die Brünner Richter in einem Rechtstreit zwischen einer Angestellten und dem Magistrat der Stadt Liberec.
Die Mutter hatte bis zum Jahr 2007 die Genehmigung zu einer Teilzeitbeschäftigung bei der Stadtverwaltung, die dann jedoch vom Magistrat zurückgezogen wurde. Der Arbeitgeber verlangte stattdessen von der Frau, dass sie wieder Vollzeit arbeiten solle. Das lehnte die Frau jedoch ab und arbeitete weiterhin wie in der Teilzeitstelle. Daraufhin wurde ihr gekündigt.
Der Fall landete vor Gericht, wobei das Kreisgericht in Liberec zunächst die Entlassung für rechtens erklärte. Allerdings entschied in der nächst höheren Instanz das Regionalgericht in Ústí nad Labem zugunsten der Mutter. Gegen diese Entscheidung legte der Magistrat erfolglos Berufung beim Obersten Gericht in Brünn ein, dass nun in letzter Instanz das Grundsatzurteil zum Anspruch auf Teilzeit für Eltern fällte.
Welche Folgen das Verdikt in der Praxis für den tschechischen Arbeitsmarkt und die Stellung von Eltern jüngerer Kinder haben wird, ist noch nicht abzusehen.
"In einem Land, das auf Eltern und vor allem auf Mütter (denn eine gleichwertige Kinderbetreuung beider Eltern funktioniert hier nicht) von Kindern wie auf halbintelligente bis nichtzurechnungsfähige Wesen blickt, kann es sich bei dem Urteil um einen Durchbruch handeln - sofern es die Arbeitgeber wirklich zu größerem Entgegenkommen nötigt", urteilt das Blatt Hospodářské noviny. (nk)