Prag - Der stellvertretende tschechische Premier und Minister für Regionalentwicklung, Jiří Čunek (KDU-ČSL), gerät nach seiner unlängst ausgestandenen Korruptionsaffäre erneut unter Druck, diesmal freilich auch in der eigenen Partei.
Wie das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen (ČT) am Montag berichtete, soll Čunek (im Bild links) von Mitte bis Ende der 90er Jahre staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen, im selben Zeitraum jedoch mehrere Millionen Kronen auf sein Bankkonto eingezahlt haben.
Dem Bericht nach hatte Čunek im Jahr 1996 insgesamt 53.000 Kronen erhalten, im Jahr darauf 48.000 Kronen, 1998 dann 51.000 und 1999 insgesamt 40.000 Kronen. Dabei soll es sich um Wohngeld und um Zuschüsse für Familien mit geringem Einkommen gehandelt haben. Im selben Zeitraum allerdings zahlte der heutige Regionalminister offenbar 3,5 Millionen Kronen auf sein Bankkonto ein. Der vorsätzliche Missbrauch von Sozialleistungen gilt in Tschechien als Straftat.
Parteikollegen fordern Erklärung
Čunek selbst wollte sich gestern inhaltlich nicht zu den neuen Vorwürfen gegen ihn äußern, heute erstatte er dann Strafanzeige gegen den Autor der ČT-Reportage. Gegenüber der Tageszeitung Mladá fronta Dnes (Prag) hatte Čunek gestern bereits Ermittlungen der Polizei gefordert: "Im Hinblick darauf, dass der ČT-Redakteur die Informationen, die er verwendet hat, aus der Akte eines Strafverfahrens erhalten hat, ist es notwendig, dass die Polizei ermittelt, wer ihm diese Angaben gewährt hat." Der Autor der ČT-Reportage Dalibor Bártek sagte im Tschechischen Fernsehen heute, dass alle seine Informationen durch Dokumente belegt seien. Die Quelle der Informationen nannte er nicht.
Unterdessen mehren sich die Stimmen in der KDU-ČSL, die eine Erklärung von ihrem Parteichef verlangen. "Keine Regierung kann es sich erlauben, dass ihr Premier oder ein Minister Sozialleistungen missbraucht hat", so etwa die Fraktionsvorsitzende der KDU-ČSL Michaela Šojdrová, die bisher in der vorangegangen Korruptionsaffäre ihren Parteichef verteidigt hatte. Eine Erklärung fordert auch der frühere Außenminister Cyril Svoboda: "Jiří Čunek muss uns die Sache um die Sozialleistungen erklären". "Der Missbrauch von Sozialleistungen ist nicht zu rechtfertigen, und auch ich will das nicht rechtfertigen", so Finanzminister Miroslav Kalousek.
Besonders pikant sind die Vorwürfe auch deshalb, weil gerade das Thema Missbrauch von Sozialleistungen (durch die Roma-Minderheit) eines der Schlüsselthemen war, mit dem Čunek sich im Herbst vergangenen Jahres profiliert hatte. Dieses, "sein" Thema hatte ihm zunächst zur Wahl zum Senator und dann gar zum Chef der Christdemokraten verholfen.
In dieser Woche wird zudem eine Entscheidung der Obersten Staatsanwältin Renata Vesecká erwartet, ob die Ermittlungen in der Sache des Korruptionsverdachts gegen Čunek wieder aufgenommen werden sollen. Čunek war von der Polizei offizielle beschuldigt worden, im Jahr 2002 als Bürgermeister von Vsetín Schmiergeld in Höhe von einer halben Million Kronen entgegengenommen zu haben. (nk/gp)