Prag - Für die Außenpolitik sind in Tschechien derzeit so viele Politiker zuständig wie noch nie - und zwar Politiker der unterschiedlichsten Ansichten, wie die Tageszeitung Lidové noviny (Prag) zu bedenken gibt.
Zu Präsident Václav Klaus, Premier Mirek Topolánek, Außenminister Karel Schwarzenberg und Europaminister Alexandr Vondra kamen jetzt sogar noch zwei Bevollmächtigte dazu.
Der ODS-Europaparlamentarier und langjährige außenpolitische Sprecher Jan Zahradil soll sich im Regierungsamt um europapolitische Themen kümmern, sowie der frühere Verteidigungsminister Jiří Sedivý nun als stellvertretender Europaminister - also Vondras rechte Hand.
Trotz dieser "Überbeschäftigung" in Sachen Außenpolitik wolle man aber möglichst mit einer Stimme sprechen. Darauf verständigten sich gestern bei ihrem Treffen auf der Burg zumindest die vier außenpolitischen Hauptakteure des Landes Klaus, Topolánek, Vondra und Schwarzenberg. Dennoch wurde aber auch gestern deutlich, dass es zwischen der stark europaskeptischen Linie von Klaus und der nicht ganz so europafeindlichen Linie der Regierung durchaus Unterschiede gibt. Klaus sprach sogar von "cohabitation" - wenn auch von "positiver cohabitation". „Die Ansichten sind nicht diametral entgegengesetzt“, fasste Klaus die Situation zusammen.
EU-Verfassung in der bisherigen Form ohne Chance in Prag
Am Freitag wird Bundeskanzlerin und EU-Ratspräsidentin Angela Merkel zu einem Besuch in Prag erwartet, bei dem das Thema EU-Verfassung im Mittelpunkt stehen soll. Der stellvertretende Europaminister Šedivý sagte in einem Interview mit Lidové noviny Europa brauche zwar "ein übersichtliches und verständliches Dokument, das die Grundprinzipien und die Kompetenzen der einzelnen Institutionen zusammenfasst und definiert“, aber es müsse ja "nicht unbedingt eine Verfassung" sein. Ähnliche Ansichten haben auch die anderen ODS-Außenpolitiker.
Auch Außenminister Schwarzenberg hatte kürzlich erklärt, der derzeit noch aktuelle Verfassungsentwurf sei ein "totes Projekt": "Jedes Bündnis braucht eine Geschäftsordnung, aber dieses Bündel kann es nicht mehr sein".
Opposition ist auch nicht untätig
Während bei Euroskeptiker Vaclav Klaus auf der Burg das Spitzentreffen zum Thema Außenpolitik stattfand, trafen sich "unten" im Prager Abgeordnentenhaus drei "EU-freundliche" Politiker: ČSSD-Chef Jiří Paroubek, der slowakische Premier Robert Fico und Altbundeskanzler Gerhard Schröder.
Die beiden Sozialdemokraten Schröder und Paroubek und der Linkspopulist Fico sprachen über außenpolitische Themen, insbesondere über die europäische Integrationspolitik. „Außerdem haben wir über die Zusammenarbeit der sozialdemokratischen Parteien unserer Länder gesprochen“, so Paroubek. Beim nächsten Treffen werde auch SPD-Chef Kurt Beck mit dabei sein, sagte der ČSSD-Chef. (nk/gp)