Prag - Wer erwartet hatte, dass die vorgezogenen Neuwahlen Ruhe oder sogar Stabilität in die tschechische Politik bringen, muss angesichts ihres Ausgangs enttäuscht sein. Zwar sind die Sozialdemokraten (ČSSD) erwartungsgemäß stärkste Partei geworden, doch von "Sieg" kann bei einem Ergebnis von 20,5 Prozent keine Rede sein.
Dabei hatten die Meinungsforscher die ČSSD im Vorfeld zeitweise bei 33 Prozent und darüber gesehen. Keine Spur von dem "Linksruck", den auch seriöse Beobachter prognostiziert hatten, offensichtlich angesteckt von der Rhetorik der bürgerlich-liberalen ODS und TOP 09, die nach dem jämmerlichen Scheitern ihrer Koalition im Wahlkampf statt auf Inhalte auf Panikmache setzten.
Nach der Wahl würden die Uhren in Tschechien "auf mittlere Moskauer Zeit" gesetzt, unkte eine Wahlwerbung der TOP 09 am Freitag - in Anspielung auf eine mögliche Minderheitsregierung der Sozialdemokraten mit Duldung der Kommunisten (KSČM).
Viel gebracht hat diese Strategie weder der ODS, noch der TOP 09. Erstere fuhr mit weniger als acht Prozent das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte ein. Zweitere kam dank der Popularität ihres Spitzenkandidaten Karel Schwarzenberg immerhin auf zwölf Prozent. Wäre statt des sympathischen Maskottchens der faktische Parteichef Miroslav Kalousek angetreten, hätte TOP 09 wahrscheinlich sogar mit der Fünf-Prozent-Marke zu kämpfen gehabt.
Nutznießer des Anti-Links-Wahlkampfs wurde der Milliardär Andrej Babiš mit seiner populistischen ANO (Aktionsbündnis unzufriedener Bürger), der sonst vor allem von der Enttäuschung der Tschechen über die etablierten Parteien profitierte. Die erst 2011 gegründete Partei schaffte aus dem Stehgreif fast 19 Prozent und darf somit als eigentlicher Sieger der Wahlen gelten. Wer auch immer zukünftig in Prag regieren will, an Babiš kommt er nicht vorbei.
Der Wählerschwund bei ODS und TOP 09 kam auch der christdemokratischen Volkspartei (KDU-ČSL) zugute. Die vor allem in den katholischen Landesteilen in Mähren traditionell verankerte Partei hat es wieder ins Abgeordnetenhaus geschafft und könnte mit ihren knapp sieben Prozent Juniorpartner für Koalitionsprojekte links und rechts der Mitte werden.
Etwa gleichauf mit der Volkspartei liegt eine weitere populistische Gruppierung, Úsvit (Morgenröte) um den tschechisch-japanischen Unternehmer Tomio Okamura. Das Koalitionspotenzial der als roma-feindlich eingestuften Sammelbewegung, die sich für mehr direkte Demokratie einsetzt, ist allerdings gleich Null. Das gleiche gilt auch für die Kommunisten, mit denen keine der demokratischen Parteien auf nationaler Ebene eine Regierung bilden will.
Sieben Parteien im Abgeordnetenhaus und keine klare Mehrheit links oder rechts der Mitte. Statt Konsolidierung der politischen Szene haben die Wahlen zur ihrer weiteren Balkanisierung beigetragen. Aus diesem Ergebnis eine stabile Regierung zu zimmern, wird von den Parteien ein hohes Maß an Kompromiss-und Verantwortungsbereitschaft erfordern. In dieser Situation wäre ein umsichtig agierender Staatspräsident Miloš Zeman gefragt. Ob dieser allerdings ein Teil der Lösung oder des Problems ist, werden die nächsten Tage und Wochen zeigen. (gp)
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Rubrik: Politik |
27.10.2013
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Die Neuwahlen haben Tschechien keine Stabilität gebracht / Von Georg Pacurar
Tschechien Online, 27.10.2013
Autor:
Georg Pacurar
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