Prag - Was Winston Churchill sicher ohnehin vermutet hätte, scheint nun auch eine neue Untersuchung statistisch zu belegen: Die tschechische Bierstatistik macht die Tschechen womöglich zu Unrecht zu Weltmeistern im Pro-Kopf-Bierkonsum.
Wenn Churchill heute durch Prag spazierte, träfe er als einleuchtenden Beleg aus Fleisch und Blut dafür mit einiger Wahrscheinlichkeit immerhin auf die durch die Stadt wankenden, johlenden Horden seiner bierseligen Landsleute, Germanen und anderer trinkfreudigen nicht-tschechischen Völker.
Glaubt man jedenfalls den Ergebnissen einer von der Assoziation der tschechischen Reisebüros und -agenturen (AČCKA) durchgeführten Umfrage, könnte der bisher als unangefochten geltende langjährige Biertrinkrekord der Tschechen tatsächlich wie die Schaumkrone eines frisch gezapften Pilseners in sich zusammenfallen.
Denn wie die Nachrichtenagentur ČTK (Prag) berichtet, hat die besagte Umfrage ergeben, dass statistisch jeder ausländische Tourist in Tschechien vier große Bier trinkt. Die Umfrage war während des ganzen Jahres 2006 stichprobenartig mit Hilfe von Fragebögen durchgeführt worden, die an immerhin 10.000 ausländische Touristen in ganz Tschechien verteilt wurden.
Vier Null-Fünfer-Bier also trinkt demnach jeder Tourist in Tschechien. Das hört sich zunächst nicht so dramatisch an - hat aber offenbar weit reichende Folgen für den Pro-Kopf-Bierkonsum der Tschechen. Die Rechnung ist dabei vereinfacht die: Wenn ein kleines Land wie Tschechien mit nur zehn Millionen Einwohnern von Jahr zu Jahr neue Rekordzahlen an Touristen verzeichnet und diese auch Bier trinken, könnten die Touristen sozusagen das "Bruttoinlandsprodukt" der Tschechen in Sachen Bierkonsum in nicht unerheblichem Maße verfälschen.
Im Grunde einleuchtend. Und tatsächlich legt genau diesen Schluss die neue Studie nahe: "Aus der Umfrage geht hervor, dass die Tschechen nicht so eindeutig den größten Pro-Kopf-Bierkonsum auf der Welt haben, wie es lange Zeit deklariert wurde," erläutert Tomio Okamura vom Präsidium der AČCKA das überraschende Ergebnis.
Muss das Guinness-Buch der Rekorde umgeschrieben werden?
Aus den offiziellen Konsumstatistiken des Tschechischen Statistikamtes (ČSÚ) geht dabei hervor, dass jeder Tscheche 160 Liter Bier jährlich trinkt, womit die Tschechen unter den Biertrinkernationen seit Menschengedenken den ersten Platz auf der Welt halten. Die Deutschen trinken statistisch 130 Liter Bier pro Kopf und Jahr, wobei allerdings der Konsum der Bayern mit 180 Litern deutlich über dem Landesdurchschnitt und sogar noch über dem tschechischen Durchschnitt liegt.
Interessant wird es, wenn man weitere Statistiken in die Rechnung einbezieht: Aufgrund der Statistik der Grenzübertritte nach Tschechien weiß man, dass im vergangenen Jahr die Zahl der ausländischen Personen, die Tschechien besuchten, bei fast 101 Millionen lag. Davon waren 6,5 Millionen ausländische Touristen, die in Tschechien auch übernachteten, mit insgesamt 19,5 Millionen Übernachtungen in Hotels und anderen Übernachtungsbetrieben. Die anderen ausländischen Besucher waren entweder Transitreisende oder Tagesausflügler.
Aus all diesen Zahlen ergibt sich nach Einschätzung der AČCKA wiederum, dass die ausländischen Besucher in Tschechien im vergangenen Jahr etwa 2 Millionen Hektoliter - oder eben 12 Prozent - des jährlich in Tschechien konsumierten Gerstensafts getrunken haben. Umgerechnet auf den jährlichen Pro-Kopf-Konsum wären das wiederum 20 Liter des weltweiten Rekords von 160 Litern, die laut Statistik jeder Tscheche jährlich trinkt. Der reale Bierkonsum des tschechischen Otto Normalverbrauchers namens Jan Novák läge demnach also lediglich bei 140 Litern.
Zahlen ohne die Wirte gemacht? Was würde Churchill dazu sagen?
Doch damit nicht genug: Zudem, so der Bericht der AČCKA, leben in Tschechien auch noch einige Hunderttausend Ausländer, deren Bierkonsum ebenfalls noch fälschlicherweise den Tschechen zugeschrieben werde...
Hier spätestens könnten Statistikkritiker hellhörig werden. Denn: Ausländer, seien es Touristen oder "Expats", konsumieren schließlich nicht nur in Tschechien. Nach aktuellen Zahlen des staatlichen Statistikamtes lebten im September vergangenen Jahres in Tschechien legal rund 310.000 Ausländer. Der Ausländeranteil liegt damit bei 2,5 Prozent und weit unter dem Ausländeranteil in den meisten anderen Ländern Europas.
Bei derlei Zahlenspielchen angelangt, könnte man also auch die Frage stellen, wie viele der "großen" Bier wirklich die ausgewiesenen 0,5-Liter enthielten. Landesweite Kontrollen ergeben nämlich regelmäßig, dass besonders in Prag viele Wirte ihren Gästen gern deutlich unter der offiziell veranschlagten Menge einschenken. Solche Rechnungen könnten spitzfindige Statistiker wie der einstige britische Kriegspremier sicher noch viele in der einen oder anderen Richtung anstellen, um am Ende zum gewünschten Ergebnis zukommen. Doch warum tut das ausgerechnet die AČCKA? (nk)