Prag - Bei der Berlinale ging "Masaryk" zwar leer aus und erntete eher verhaltenes Echo - doch bei der Verleihung des wichtigsten tschechischen Filmpreises Český lev (Böhmischer Löwe) wurde der Streifen mit rekordmäßig vielen Trophäen überhäuft.
Der biographische Film des Regisseurs Julius Ševčík gewann in zwölf von 14 Kategorien und erhielt am Samstag im Prager Rudolfinum insgesamt zwölf Böhmische Löwen. Damit übertraf er den bisherigen Rekordhalter, das Jan-Palach-Drama "Hořící keř" (Der brennende Dornbusch).
Das dem Schicksal des Diplomaten und tschechoslowakischen Außenministers Jan Masaryk gewidmete Drama wurde nicht nur zum besten Film des Jahres gewählt, die Jury hielt unter anderem auch die Regie, die schauspielerische Leistung von Karel Roden und Oldřich Kaiser sowie das Drehbuch für am besten von allen im vergangenen Jahr in die Kinos gelangten Filmen.
In der Hauptrolle der tschechisch-slowakischen Koproduktion verkörpert Roden Jan Masaryk, den tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš wiederum Oldřich Kaiser. In weiteren Rollen sind Jiří Vyorálek als Konrad Henlein und Robert Jašków als Emanuel Moravec zu sehen. In der Rolle einer von Masaryks Freundinnen kehrt das Modell Eva Herzigová auf die Leinwand zurück.
Über die Vergabe der Löwen entschied eine Jury von Akademikern der Tschechischen Film und Fernsehakademie (ČFTA). Insgesamt 112 Jurymitglieder wählten in der ersten Runde zwischen 157 und im der zweiten Runden aus 42 abendfüllenden Spiel- und Animationsfilmen sowie 29 Dokumentarfilmen, die im Jahr 2016 in den Vertrieb gelangt sind.
Kritik an Vergaberegeln
Nach dem für "Masaryk" triumphalen und vom öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT) live übertragenen Galaabend wurde jedoch Kritik an den Vergaberegeln beim Böhmischen Löwen laut.
Denn den Film hat bislang kaum jemand sehen können. Zwar wurde das Drama über das Münchner Abkommen von 1938 und die Zerschlagung der Tschechoslowakei durch Nazi-Deutschland im Dezember sieben Tage lang im Prager Kino Lucerna gezeigt. Und formell erfüllt er damit das Statut des Wettbewerbs, in dem festgelegt ist, das an dem Wettbewerb um die Böhmischen Löwen nur Filme teilnehmen können, die mindestens sieben Tage hintereinander oder 14 Tage lang mit Unterbrechungen in einem kommerziellen Kino gezeigt wurden.
Doch in den regulären Vertrieb kommt der Film in Tschechien erst am 9. März.
"Den Film habe ich nicht gesehen,ebenso wie alle anderen Filmzuschauer in dieser Republik. Das ist ein guter Zug der Produzenten. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass den Oscar ein film bekommen könnte, der noch nicht einmal Premiere in den Kinos hatte", kritisierte etwa der Filmregisseur Filip Renč.
ČFTA-Präsident Ivo Mathé kündigte unterdessen an, dass sich das Präsidium der Akademie noch in dieser Woche treffen wolle, um zu beraten, ob es sich im Falle von "Masaryk" um eine legitime Strategie der Produzenten handele, oder eher einen Missbrauch der Regeln. (nk)