Rakovník/Prag - Der ODS-Ortsverband in Rakovník hat sich am Montag mit überwältigender Mehrheit gegen einen Parteiausschluss des Parlamentsabgeordneten Vlastimil Tlustý ausgesprochen. Und das, obwohl die Parteispitze am Montagabend in demonstrativer Einmütigkeit eine Erklärung herausgegeben hatte, nach der für die Hauptprotagonisten der ODS-Erpressungsaffäre, nämlich Jan Morava und Vlastimil Tlustý, kein Platz mehr bei den Bürgerlichen Demokraten sei.
Die Prager Regierungskoalition einigte sich unterdessen auf eine neunköpfige koalitionsinterne Kommission zur Untersuchung der Causa.
Wie tschechische Medien berichten, stimmte kein einziges Mitglied der ODS-Ortsvereinigung in Rakovník für einen Parteiausschluss ihres unliebsamen Mitglieds, 24 Mitglieder waren dagegen und fünf enthielten sich der Stimme. Allerdings verabschiedete das Parteigremium eine Beschlussfassung, nach der Tlustý im Falle einer Vertrauensabstimmung die Regierung von Parteichef Mirek Topolánek im Prager Abgeordnetenhaus stützen solle.
Tlustý soll sich nach Aussage des Rakovníker ODS-Chefs Zdeněk Nejdl zudem verpflichtet haben, seine Mitgliedschaft in der ODS selbst zu beenden, falls sich einige der in den vergangenen Tagen in der tschechischen Presse gegen ihn erhobenen Vorwürfe als Tatsachen erweisen sollten.
Dabei geht es vor allem um die angeblichen Verbindungen Vlastimil Tlustýs zu dem im Januar 2006 ermordeten Unternehmer František Mrázek, der als Bindeglied zwischen tschechischer Unternehmensphäre, Politik und organisiertem Verbrechen galt. Medienberichten nach soll Mražek vor acht Jahren mittels seiner Mitarbeiter versucht haben, Tlustý und den heutigen Innenminister Ivan Langer (ODS) vor seinen Karren zu spannen und zur Durchsetzung seiner unternehmerischen Ziele in der Politik zu nutzen. Beide Politiker bestreiten eine wissentliche Zusammenarbeit mit dem Dunkelmann František Mrázek.
ODS-Spitze erwägt Satzungsänderung
In der ODS wird nach dem Votum des Ortsverbands in Rakovník nach Aussage von Parteivize Ivan Langer nun auch über eine Satzungsänderung nachgedacht, die es ermöglichen soll, dass Mitglieder nicht nur von ihren Ortsverbänden, sondern auch von überregionalen Gremien ausgeschlossen werden können. Jan Bürgermeister brachte gar die Möglichkeit ins Spiel, notfalls den gesamten Ortsverband in Rakovník aufzulösen. Diesen Vorschlag lehnt jedoch Parteichef Topolánek ab.
Als die ODS-Parteispitze am Montagabend gemeinsam vor die Presse trat, gaben sich die Politiker betont locker und gut gelaunt (Foto). ODS-Chef Mirek Topolánek scherzte gar mit seinem Vize, dem Prager Oberbürgermeiser Pavel Bém, den er noch am Sonntag in einer Fernsehsendung scharf angegangen war und ihm vorgeworfen hatte, gemeinsam mit Vlastimil Tlustý seit langem gegen ihn zu intrigieren. Gestern versicherten alle Beteiligten, sich an den am Sonntagabend geschlossenen Waffenstillstand halten zu wollen.
Koalitionskommission soll Affäre aufklären
Die Prager Dreierkoalition aus ODS, Christdemokraten und Grünen hat sich gestern bei einem Koalitionstreffen auf eine Arbeitsgruppe geeinigt, die die Affäre um Jan Morava und Vlastimil Tlustý untersuchen soll. Mit der Entscheidung traten der Grünen-Vorsitzende Martin Bursík, der KDU-ČSL-Vorsitzende Jiří Čunek und der ODS-Fraktionsvorsitzende Petr Tluchoř vor die Presse.
In der Arbeitsgruppe soll auch die Grünen-Abgeordnete Olga Zubová sitzen, die auch persönlich von den geplanten Erpressungsversuchen betroffen war.
Tlustý, der seit langem mit dem Parteivorsitzenden über Kreuz liegt und als Anführer einer Gruppe "Rebellen" in der ODS gilt, hatte sich für eine Reportage des TV-Senders Nova darauf eingelassen, fingierte "kompromittierende " Fotos von sich anfertigen zu lassen und so als Lockvogel dafür zu dienen, um schmutzige Erpressungspraktiken seiner innerparteilichen Gegner zu provozieren und so offenzulegen.
Das Material war von Journalisten des Senders verschiedenen ODS-Politikern angeboten wurden, wobei die Journalisten sich als Mitarbeiter ein Detektei ausgaben. Der junge ODS-Abgeordnete Jan Morava war den Reportern auf den Leim gegangen, wobei einer SMS zu Folge auch ODS-Fraktionschef Petr Tluchoř wissen wollte, ob die kompromitterienden Fotos nur als Ganzes oder auch einzeln zu kaufen seien. Später behauptete Tluchoř, seine SMS sei als Scherz gemeint gewesen.
Morava hatte zudem vor laufender versteckter Kamera den Auftrag erteilt, heimlich Fotos von sich und der Tochter der Grünen-Abgeordneten Olga Zubová anfertigen lassen, mit der er "privat" angebandelt hatte. Die Materialien sollten dem Bekunden Moravas der Mutter Angst machen und zur politischen Einflussnahme dienen - es sei gängige Praxis, das Stimmverhalten von Abgeordneten auf diese Weise zu beeinflussen. "Es gibt Dinge, für die man gelegentlich Stimmen besorgt, und die Motivation kann postiv oder negativ sein, warum jemand so oder so handelt", hatte der 29-jährige Abgeordnete wörtlich erklärt.
Morava hat sein Abgeordnetenmandat inzwischen niedergelegt und erklärt, er habe auf eigene Faust und ohne Wissen der Parteiführung gehandelt. (nk)