Prag - Um den nächsten Turm zu erreichen, muss man sich wieder in die Prager Innenstadt begeben. Nachdem man mit der Petřín-Seilbahn den Berg auf bequeme Art verlassen hat, kann man sich mit der Tram (Linie 9) vom Újezd aus direkt vor die Tür des nächsten Turmes fahren lassen.
Die quasi turmeigene Haltestelle heißt Jindřišská, passend zum Heinrichsturm (Jindřišská věž).
Steigt man an der Haltestelle Jindřišská aus der Tram, ragt der gotische Turm gleich steil vor einem empor. Erbaut wurde der mit 67,7 Meter höchste freistehende Glockenturm Prags in den Jahren 1472 bis 1475. Ursprünglich gehörte er zu der auf der anderen Straßenseite gelegenen Kirche des Hl. Heinrich und der Hl. Kunigunde (Kostel sv. Jindřicha). Im Laufe der Jahre fand jedoch eine Loslösung aus er kirchlichen Nutzung statt.
Im Laufe seiner über 600-jährigen Geschichte erlitt der Heinrichturm mehrfach Beschädigungen. So beispielsweise am Ende des 30-jährigen Krieges, als die Schweden in Prag wüteten, oder 1715 während der Belagerung durch die Preußen. Doch nicht nur Kriege setzten dem Turm zu, auch das Wetter spielte ihm übel mit. Im Jahr 1801 wurde bei einem Sturm das gotische Dach komplett zerstört.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde dieser Schaden repariert, unter dem Architekten Josef Mocker setzen 1874 Sanierungs- und Umbauarbeiten ein. 1878 bekam der Turm endlich wieder ein Dach in Form einer 32,6 Meter hohen, neu ausgestalteten Turmspitze. Diese gab ihm nicht nur sein heutiges Aussehen, sondern ist auch ein Beispiel für die Schreinerkunst der damaligen Zeit, die Spitze ist nämlich eine Holzkonstruktion.
Neben der beeindruckenden Spitze hat der Heinrichsturm noch eine weitere Besonderheit zu bieten. Im Jahr 2003 wurde im Turm ein europaweit einzigartiges Glockenspiel installiert, welches nur im Inneren des Turmes zu hören ist. Es folgt der langen Tradition der zehn Glocken, die im Laufe der Jahrhunderte angebracht worden waren. Neun davon zersprangen oder wurden im Zuge des ersten und zweiten Weltkrieges eingeschmolzen. Nur eine konnte sich durch all die stürmischen Zeiten hindurch retten. Diese, mit Namen Maria, wurde als erste Glocke des Heinrichsturms 1518 geweiht. Ihr stolzes Geläut ist heute noch zu vernehmen, nun zusammen mit dem neu installierten Glockenspiel. Der Besucher hat jeweils um 9 Uhr, 12 Uhr, 15 Uhr und 18 Uhr die Gelegenheit, dieses Klangspiel zu hören.
Der zehnstöckige Turm selbst bietet für den Besucher neben zwei Cafés, drei Restaurants und ebenso vielen Galerien vor allem vom 10. Stockwerk aus einen wunderschönen Ausblick auf die Prager Altstadt Erreichen kann man das 10. Stockwerk im Übrigen bequem mit dem Lift, so dass dem Besucher hier eine sportliche Verausgabung erspart bleibt. Im Gegensatz zu den bisherigen Türmen befindet sich auf dem Heinrichsturm kein Rondell, das den Ausblick auf Prag frei gibt, sondern man genießt die Aussicht durch die Turmfenster. Diese kann man selbstverständlich öffnen, falls man Fotos machen möchte, doch man muss nicht. Auf diese Weise ermöglicht der Heinrichsturm seinen Besuchern auch im Winter oder bei schlechtem Wetter ein angenehmes Seherlebnis, ohne dass man Kälte oder Regen trotzen müsse.
Hat sich der Besucher dann genug am Anblick Prags berauscht, kann er anschließend einen Abstecher ins 6. Stockwerk machen. Dort befindet sich das Prager Turmmuseum, welches mit einer Vielzahl Fotos und Beschreibungen über 120 Türme in der goldenen Stadt informiert. Vielleicht findet dort der ein oder andere noch ein Ausflugziel über diese Turmtour hinaus. Der Eintritt ins Museum ist in der Eintrittskarte inbegriffen, so dass dem Besucher keine Extrakosten entstehen.
Über den beeindruckenden Ausblick, das Turmmuseum und die gastronomischen Einrichtungen hinaus bietet der Heinrichsturm auch die Möglichkeit, Empfänge, Pressekonferenzen und ähnliche Veranstaltungen abzuhalten. Selbst Brautpaare können sich in diesem historischen Gebäude das Jawort geben. (mk)