Prag - 1. Januar 1977: Tschechische und slowakische Bürger fordern mit der Veröffentlichung der Charta 77 die Einhaltung der Bürger- und Menschenrechte in der Tschechoslowakei.
Sie konnten sich dabei auf die von den kommunistischen Machthabern selbst unterzeichnete KSZE-Erklärung von Helsinki und teilweise auch auf tschechoslowakische Gesetze berufen. Der Kontrast zwischen den auf dem Papier verbrieften Rechten einerseits und der gesellschaftlichen Realität hinter dem Eisernen Vorhang anderseits konnte kaum stärker sein.
Doch nach der brutalen Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 und der vom Regime verordneten, nur scheinbaren "Normalisierung" der politischen Verhältnisse zu Beginn der 70er Jahre brodelte es in der alternativen Szene.
Das Verbot der für die offizielle Kulturpolitik unliebsamen Underground-Band The Plastic People of the Universe und die Verhaftung ihrer Musiker brachten das Fass zum überlaufen. Oppositionelle, ehemalige Reformkommunisten, Intellektuelle, Dissidenten und Bürgerrechtler taten sich zusammen und publizierten die Petition Charta 77.
Das Regime reagierte äußerst gereizt, Repressionen auf allen Ebenen gegen Unterzeichner, Unterstützer, echte oder vermeintliche Sympathisanten folgten. Ende des Jahres dann wurde gar eine "Anticharta" inszeniert: Künstler und Intellektuelle wurden im Prager Nationaltheater zur öffentlichen Verurteilung der Chartisten und zum Treueschwur auf das totalitäre Regime genötigt - wodurch die Charta 77 erst Recht ins Licht der Weltöffentlichkeit rückte.
Immer mehr Prominente im Westen, darunter auch deutschsprachige Schriftsteller wie Heinrich Böll und Friedrich Dürrenmatt, solidarisierten sich mit den tschechoslowakischen Bürgerrechtlern und unterzeichneten die Charta ebenfalls.
Die Ausstellung der Nationalgalerie ruft die Geschehnisse vor 40 Jahren wieder ins Gedächtnis.
Im Mittelpunkt steht die Geschichte des Dichters und Plastic-People-Gründers Ivan Martin Jirous. Sein Leben, belegt und dargestellt mittels Fotografien und persönlichen Gegenständen, steht stellvertretend für den Spirit der Unterstützer der Charta 77. Der Ausstellungsteil "Charta 77 in Bildern" besteht aus authentischem Bildmaterial und macht es möglich, die Atmosphäre der Zeit nachzuerleben.
Besucher haben noch bis Anfang 2019 die Chance, in die Geschichte der Charta 77 einzutauchen und sich ihren Protagonisten zu nähern. (melm/nk)