Prag - Nachdem der von der tschechischen Regierung vorgelegte Gesetzentwurf für ein striktes Rauchverbot in Gaststätten heute im Prager Abgeordnetenhaus wegen des Neins etlicher ANO-Abgeordneter durchgefallen ist, ließ der Streit in der Koalitionsregierung aus ČSSD, ANO und KDU-ČSL nicht lange auf sich warten.
"Die Blamage mit dem Nichtrauchergesetz wirkte in der Koalition wie eine Granate", titelt der Online-Dienst Novinky.cz bereits am Nachmittag.
"Dank des Stimmverhaltens der ANO-Abgeordneten gegen die Regierungsvorlage bleibt die Tschechische Republik ein Raucher-Freilichtmuseum. Es ist eine Schande!", twitterte erzürnt der sozialdemokratische Premier Bohuslav Sobotka. "Damit spielen sie der Tabaklobby in die Hände und schaden den Interessen der Bürger", legte der Regierungschef gegenüber der Nachrichtenagentur ČTK nach.
Wütend zeigten sich auch Vertreter des kleinsten Koalitionspartners: "Die Bewegung ANO hat klar den Koalitionsvertrag verletzt und und zum Ausdruck gebracht, dass sie die Arbeit des Abgeordnetenhauses verachtet. Wir werden die Einberufung des Koalitionsrates fordern. Das ist für uns eine grundsätzliche Angelegenheit. Dieses Verhalten ist zudem kein Einzelfall", zitiert Novinky.cz den Stellvertretenden Vorsitzendes des Abgeordnetenhauses Jan Bartošek von der KDU-ČSL.
Gesetzentwurf erst verwässert, dann abgelehnt
Aus Brüssel keilte dann der Milliardär und ANO-Chef Andrej Babiš (Foto) zurück. Gegenüber Journalisten sagte der stellvertretende Premier, Bohuslav Sobotka lüge, wenn er behaupte, dass die Annahme der Gesetzesvorlage Abgeordnete seiner ANO-Bewegung zu Fall gebracht hätten. Und: "Ich bin es leid, und wenn das so weiter geht, dann denke ich, dass diese Koalition nicht mehr lange zusammenhält", so Babiš.
Babiš argumentiert, dass das Gesetz bereits durch Änderungsanträge, die zum Teil auch von ČSSD-Abgeordneten mitgetragen wurden, zuvor so weit verwässert worden sei, dass es seinen eigentlichen Sinn verloren habe. So sollte den Gastronomen das Recht eingeräumt werden, doch wieder spezielle Raucherräume einzurichten. Allerdings hatte bereits der sozialdemokratische Gesundheitsminister Svatopluk Němeček darauf hingewiesen, dass für diese Änderung auch acht ANO-Parlamentarier gestimmt hätten - und so den Vorwand für die übrigen ANO-Abgeordneten mitgeliefert hätten, hinterher das gesamte Gesetzespaket abzulehnen.
Die Reaktion Bohuslav Sobotkas folgte auf den Fuß: "Ich weise Babišs persönlichen und völlig unwahren Beleidigungen zurück. Ergebnis des Vorgehens von ANO ist die Nichtannahme des Gesetzes und zugleich die Bildung von Spannungen in der Regierungskoalition. ANO sollte erklären, warum sie auf diese Art und Weise eine funktionierende Regierung zum Einsturz bringt", zitiert Novinky.cz den Regierungschef.
In Meinungsumfragen liegt die Bewegung ANO, die in der Regierung nur den Juniorpartner stellt, seit langem deutlich vor der ČSSD und den anderen Parteien.
Nach einer heute veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts STEM würde bei Parlamentswahlen derzeit ANO mit 27,1 Prozent Stimmenanteil stärkste politische Kraft in Tschechien, gefolgt von der ČSSD (20,1 %), den oppositionellen Kommunisten (14,5 %), der ODS (7,8 %) und TOP 09 (7,6 %). Der kleinste der drei Koalitionspartner, die KDU-ČSL, käme auf 7,1 Prozent Stimmenanteil. (nk)