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Wer wegschaut, verliert

Fringe 2017: "Whales & Souls" (USA)

Sexy Dirt Productions' „Whales & Souls“ ist eine außergewöhnliche Solo-Performance, die das Geschichtenerzählen zur Kunstform erhebt. Eine schaurige Fabel für Erwachsene mit einer außergewöhnlichen Ästhetik und brillantem Schauspiel.

Randy (Chris Roe) stellt sich dem Publikum als Guide einer Nachtwanderung vor, der uns als Reisegruppe auf eine Tour mitnehmen möchte. Mit hämischem Grinsen erzählt er von einem verlassenen Dorf am See, dessen geheimnisvollem Untergang wir nun auf den Grund gehen. Die gespenstische Soundatmosphäre im dunklen Theaterraum lassen den grün beleuchteten Guide nicht gerade vertrauenswürdig erscheinen und doch steigert seine gruselige Einführung meine Neugier ins Unermessliche. Die Bühne besteht aus einem großen, weißen Leinentuch, auf das von hinten Schattenbilder projiziert werden. Durch einen zarten Windhauch, minimale Animationen und Beleuchtung wird die zweidimensionale Landschaft lebendig.

Im Zentrum der Geschichte steht eine Familie, deren solides Leben immer mehr ins Wanken gerät. Ein ignoranter Patriarch kann sich einer beruflichen Veränderung nicht anpassen, seine Frau entdeckt ihre homosexuelle Neigung und fühlt sich zu einer alleinstehenden, als Hexe in Verruf geratenen Nachbarin hingezogen und ihr Sohn flüchtet sich in seine geheime Welt aus selbstgeschriebenen Schauergeschichten. Ein Geschäftsmann, der Mensch und Umwelt für die Expansion seines Unternehmens opfert, nimmt dafür auch die Vergiftung des Wassers in Kauf und fördert damit eine Kreatur aus dem See zutage. Dieses unheimliche Wesen sucht die Dorfbewohner heim und versucht sie vor dem bervorstehenden Untergang zu warnen. Allen sieben Charakteren verleiht Roe jeweils unterschiedliche sprachliche und physische Merkmale. Es gelingt ihm auf beeindruckende Weise, innerhalb eines Dialoges präzise zwischen den Persönlichkeiten hin und her zu switchen. Die schnellen, energetischen Wechsel verleihen dem Stück eine dramatische Dynamik, die sich bis zum Schluss hält.

Als hätte die Figur, die Roe gerade porträtiert, ihn mit voller Wucht ausgespuckt, blicke ich immer wieder in das Gesicht des Reiseführers Randy. Die kleinen Veränderungen in seinem Gesicht sind so klar gesetzt und der Übergang in das Hier und Jetzt so abrupt, dass ich mehrmals das Gefühl habe, einem Schizophrenen gegenüber zu sitzen und es mir kalt den Rücken runterläuft. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass ich an manchen Stellen den Faden verliere und absolut gefesselt bin von der schauspielerischen Leistung Chris Roe's.

„Whales & Souls“, feinfühlig inszeniert von Matt Renskers, führt uns mit mystischer Verklärung vor Augen, was wir uns und unserer Welt antun. Eine minimalistische und kraftvolle Story, ein mit wenigen Mitteln erzeugtes, visuelles Vergnügen und eine gedankliche Herausforderung für den Heimweg. Mein absoluter Favorit des diesjährigen Fringe Festivals!

Externer Link: www.praguefringe.comwww.praguefringe.com
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