Prag - Am Tag, nachdem Fidel Castro starb, führte das Schauspiel Hannover einen effektreichen Totentanz der Revolutionäre im Rahmen des Theaterfestivals der deutschen Sprache auf. Heiner Müllers Stimme erstand wieder auf und trug vom Band seinen sperrigen Text "Der Auftrag" vor.
Die Schauspieler bliesen durch teils rasantes Bewegungstheater dem realsozialistisch pedantisch artikulierten Bericht eines gescheiterten Aufrührers eine gehörige Portion Pfeffer in den Ofen. Akustisch bekämpfte eine Rockband die Monotonie des dramatischen Sprachrohrs der Ost-Berliner Revolutionsepigonen. Heiner Müllers ermüdende Geschichte von den drei Kämpfern, die von der französischen Revolutionsregierung nach Jamaika gesandt wurden, um einen Aufstand gegen die Sklaverei anzuzetteln, war wahrlich kein Vergnügen.
Die Inszenierung bemühte sich mit vielen Effekten, den wenig dramatischen Stoff anzureichern. Rasante Tanzeinlagen, zirkusreife Akrobatiknummern, poetische Einlagen wie der Tanz einer Kaffeekanne und einer Tasse sorgten für reichlich Abwechslung auf der Bühne. Im weiteren Verlauf gesellten sich noch klug eingesetzte Projektionen in das multimediale Spektakel. Der Kampf zwischen dem asketischen Robespierre und dem Bonvivant Danton geriet zu einem amüsanten Boxkampf zweier Scherenschnitt-Karikaturen. Viele Einfälle verschwendete die Regie. Nur Heiner Müllers Botschaft von der Dialektik der Revolution wirkte merkwürdig verstaubt. "Die Revolution ist die Maske des Todes. Der Tod ist die Maske der Revolution."
Bei dem abschließenden Totentanz der roten Helden kamen sie schließlich fast alle dran, die Marx, Lenins oder Che Guevaras. Allen wurde die ihnen vorbestimmte Zyankalikapsel in den Mund gedrückt und das Lebenslicht auf der Bühne ausgeblasen. Der vergebene Auftrag musste zurückgegeben werden, er konnte nicht erfüllt werden. Allein die Auftraggeber, sie wollten davon nichts mehr wissen und die Regierung, die den Auftrag zu verantworten hatte, war gestürzt.
An der Inszenierung lag es sicherlich nicht, dass nicht jeder diesen Theaterabend im Divadlo na Vinohradech bis zum Ende erleben wollte. Sie ließ das Publikum einen Moment sprachlos zurück, bis es dann erst zögerlich, dann frenetischer applaudierte. Es lag vielmehr an Heiner Müllers staubtrockener Literatur, seinem von jeglichem Humor gereinigten sozialistischen Selbstkritikpathos. Traurig und verlassen blieb der Pierrot nach seinem mörderischen Amoklauf auf der Bühne zurück.
Dieses Stück wirkte merkwürdig deplatziert in den lebensfrohen Räumen des Theaters in den königlichen Weinbergen, wie der Prager Stadtteil einst genannt wurde, als es noch derlei Majestäten gab. Die Stärke dieser Inszenierung war, dass sie sich deutlichen politischen Stellungnahmen enthielt, die sich bei dem Stoff durchaus angeboten hätten. Es hat einfach nur die ausgedienten Helden zu Grabe getragen. Wie am folgenden Tag ganz Kuba seinen Fidel Castro. (gl)