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Tschechisch für Ausländer in der Praxis

Ein Besuch bei der Sprachschule Czech Language Training in Prag

Als Studentin der tschechischen Sprache und Literatur an der Karls-Universität wollte ich immer mal schauen, wie sich der Tschechischunterricht für Ausländer gestaltet. Ich habe daher Kontakt mit dem Direktor von Czech Language Training, Miroslav Kašpárek, aufgenommen und mit ihm eine Stunde zum Zuschauen in seiner Sprachschule vereinbart, die auf Tschechischunterricht für Ausländer spezialisiert ist.

Czech Language Training (CLT) befindet sich direkt gegenüber der Tramhaltestelle Husinecká, eine Station vom Hauptbahnhof entfernt. Es ist Donnerstagabend. Ich stehe vor der Tür der Schule im dritten Stock. Ich klingele und mit dem Türsummer öffnet sich die Tür. Gleich dahinter begrüßt mich ein Graffiti in Form eines Baumes - ein Wegweiser, der mich in den Unterrichtsraum Nummer 4 leitet, wo meine Lektion stattfinden wird. Auf den ersten Blick sieht das CLT ganz gemütlich, fas ein bisschen häuslich aus. Schilder mit tschechischen Bezeichnungen auf unterschiedlichsten Gegenständen als Vokalbellernhilfe erwecken den Eindruck, als wäre man bei einem Studenten in seiner Bude.

Im "Cáfé", dem Gemeinschaftsraum für Studenten, warten mehrere Schüler auf ihre Tschechischstunde für Ausländer. Einige unterhalten sich lebhaft auf Englisch, einige offenbar weiter Fortgeschrittene auch schon recht fließend Tschechisch, wieder andere, vergraben in ihre Tschechischlehrbücher für Ausländer, machen Hausaufgaben oder wiederholen den durchgenommenen Stoff. Ich bin neugierig und frage sie, woher sie kommen und warum sie den Kurzs "Tschechisch für Ausländer" absolvieren. Die Antworten überraschen mich: Sie kommen aus völlig unterschiedlichen Ländern und Kulturen, nämlich aus Tunesien, Deutschland, Großbritannien, Russland, der Ukraine, Israel, Holland, Japan, Costa Rica, den USA... Der Grund jedoch, warum sie Tschechisch lernen wollen, ist für die meisten ähnlich: In Tschechien arbeiten sie oder studieren an tschechischen Schulen oder Universitäten, sie leben hier und wollen mit Tschechen in deren Muttersprache kommunizieren oder es interessieren sie einfach die tschechische Sprache und Kultur. Oft haben sie hier tschechische Freundin, Ehefrau oder Ehemann, oder ihren Partner, die ihnen beim Erlernen der Sprache helfen. Zusammen gehen sie dann zu Filmvorführungen und anderen Aktionen im CLT, die eine Ergänzung zum "klassischen" Unterricht sind.

Um 18.30 Uhr öffnen sich die Türen der "4", die Schüler der vorherigen Unterrichtsstunde wirken beim Verlassen noch recht fröhlich und heiter. Langweilig war es wohl nicht. Wir werden von der sympathischen Lektorin Martina begrüßt. Der Unterrichtsraum ist voll mit Lehrmaterialien, die die Schüler gebastelt haben. In einem Teil des Raumes hängen Plakate mit Rezepten der jeweiligen Nationalgerichte der Schüler, auf der anderen Seite schmücken nützliche Phrasen für Anfänger und Fortgeschrittene die Wand. Auf dem Tisch liegen Wörterbücher und - etwas überraschend - auch ein Baukasten für Kinder.  Martina sagt, das sein für eine "Stadt", die ihre Schüler gemeinsam bauten und dabei die Präpositionen und Fälle übten. In dem Unterrichtsraum befinden sich bequeme Stühle für nur sieben Schüler und die Lehrerin, denn das CLT garantiert eine maximale Gruppengröße von sieben Personen. Die technische Ausstattung, die der Lektorin zur Verfügung steht, ist dabei auf der Höhe der Zeit, ein Projektor, eine Leinwand und ein Notebook. Martina erklärt, dass dies die Standardausstattung im CLT sei.

Ich bin in der Unterrichtsgruppe, die sich auf dem Niveau "Mäßig fortgeschritten" ist. Zunächst stellen wir uns alle gegenseitig kurz vor und zum Auftauen führen wir pantomimisch unsere Hobbys vor. Die anderen raten dabei, was wir gerne in unserer Freizeit machen. Die Schüler sind offensichtlich an diese Art der informellen schauspielerischen Aktivität gewöhnt und genieren sich - im Gegensatz zu mir - dabei gar nicht. Martina hat für die heutige Lektion einen Artikel aus dem Internet vorbereitet, der die Ansichten von verschiedenen Ausländern über das Verhalten von Tschechen wiedergibt. Zunächst diskutieren wir in Gruppen und versuchen zu enträtseln, was in dem Artikel drin steht. Die Kommunikation mit Ausländern in meiner tschechischen Muttersprache ist für mich etwas ungewohnt. Wenn ich etwas mein normales Redetempo drossele, verstehen sie aber fast alles, was ich sage und sie sind in der Lage, ihre Gedanken fließend auszudrücken. Nach dieser Aktivität lesen wir den Artikel gemeinsam durch und vergleichen seinen tatsächlichen Inhalt mit dem, was wir verstanden haben. Martina bezieht mich dabei in den Unterricht noch mehr ein und lässt mich den Schülern ihnen unbekannte Wörter erklären. Den neu erworbenen Wortschatz trainieren wir sodann mit einem Wettbewerb. Martina hat zu dem Text weitere Fragen vorbereitet, mit denen getestet wird, ob die Schüler alles verstanden haben.  Danach folgen grammatische Übungen, bei der der aktuell durchgenommene Stoff genutzt wird. Jetzt sind die Studenten selbst an der Reihe, in kleinen Gruppen sollen sie diskutieren, was sie an den Tschechen überrascht hat, was sie an ihnen stört, was sie mögen und was sie über Tschechen im allgemeinen so denken. Zusammen mit Martina haben wir eine "spezielle Kommission" gebildet, die die jeweiligen Präsentationen und Beiträge kommentiert. Während der Präsentation notiert sich Martina alle "groben Fehler", um sie direkt danach mit den Schülern durchzugehen und zu korrigieren. Zum Schluss bekommen wir noch eine letzte Aufgabe. In neuen Gruppen sollen wir einen typisch tschechischen Brauch oder eine Gewohnheit aussuchen und sie als kurze gespielte Szene vorführen. Die anderen sollen dabei raten, um was für eine Tradition es sich dabei handelt. Als Hausaufgabe sollen die Schüler einen kurzen Text über ihr Land schreiben, so wie es andere wohl von außen wahrnehmen. Ich danke der Lehrerin und den Schülern, dass sie mich als Gast an der Unterrichtsstunden teilnehmen lassen haben. Ganz wie unsere Vorgänger vor anderthalb Stunden, verlassen heitere Studenten den Unterrichtsraum. Die Zeit verging tatsächlich wie im Fluge.

Martina erzählt mir hinterher noch, dass manche ihrer Schüler Tschechisch für Ausländer bereits im dritten Jahr studieren, wobei einige immer wieder kurze Pausen von einem oder auch mehrere Monaten einlegen. Möglich ist das am CLT, da man sich hier nicht für ein ganzes Semester, sondern monatlich einschreibt. So feilen die Schüler ständig an ihrem Tschechischen in den regulären Kursen und auch den speziellen Aussprachelektionen. Der "dienstältesteste Student" soll schon seit sechs Jahren dabei sein, seit er mit einem Anfängerkurs bei Null begann.

Zusammengefasst kann ich sagen, dass es eine ganz neue Erfahrung für mich war, mal einer Unterrichtsstunde Tschechisch für Ausländer beizuwohnen. Künftig werde ich bei meinem Kontakt mit Ausländern sie mit langsam gesprochenem Tschechisch ermuntern, mit uns Tschechisch zu sprechen. Ich wünsche allen Tschechisch-Schülern des Czech Language Training weiterhin viel Erfolg und viele glückliche Momente mit der tschechischen Sprache.

Externer Link: www.czlt.czwww.czlt.cz
Bildnachweis:
Czlt.cz
Czech Language Training
Seifertova 47
130 00
Praha 3
Hauptstadt Prag (Hlavní město Praha)
Tschechische Republik
+420 222 713 270, 732 533 620

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