Von den vielen deutschen Wörtern, die sich die tschechische Alltagssprache einverleibt hat, ist mir dieser Tage eines besonders in Erinnerung gekommen: "vekslák". Es stammt vom deutschen “wechseln” und bezeichnet eine Person, die sich irgendwelchen – meist krummen – Tauschgeschäften widmet, etwa dem illegalen Handel mit Devisen.
Die veksláci, so die Mehrzahl, erlebten ihr goldenes Zeitalter in der Tschechoslowakei der 70er und 80er Jahre, als im real existierenden Sozialismus Schwarzmarkt und Schattenwirtschaft blühten. Mit dem Phänomen setzte sich der 1987 erschienene Film "Bony a klid" (in etwa “Gutscheine und Ruhe”) von Vít Olmer und Radek John auseinander – ein "vekslácký thriller", so der Untertitel. In Deutschland erschien der Film unter dem Titel "Der Boss kennt auch den Staatsanwalt".
Eigentlich hatte ich geglaubt, dass die Spezies ausgestorben sei und ihre früheren Angehörigen ihr Ausfinden in der freien Wirtschaft gefunden hätten. Aber es gibt sie immer noch, wie ich am Freitag im Rahmen des Geldwechsel-Tests von Tschechien Online feststellen musste, und zwar in ihrem angestammten Biotop an der Prager Touristenmeile.
Das Exemplar, mit dem ich es zu tun hatte, war ein etwa 40-jähriger mittelgroßer Mann, auffällig unauffällig mit heller Schirmmütze halb im Gesicht und einem Blick für die richtige Gelegenheit. Er stand rechts neben dem Eingang zur Wechselstube. Als ich mich in der Schlange angestellt hatte und einen 100 Euro Schein herausholte, kam er auf mich zu und zupfte mich leicht am Ärmel: “Change? You want change?” Ich versuchte, mir das Déjà-vu nicht zu sehr ansehen zu lassen und fragte, ebenfalls English, nach dem Kurs. “Officially 26 crowns per Euro, but I give you 28″, flüsterte er, während wir auf die Straße gingen. “How much? 100, 200?” Ich sagte, ich wollte 100 Euro wechseln, zeigte ihm kurz den Schein und steckte ihn gleich wieder ein.
Was dann geschah, kannte ich bislang nur vom Hörensagen. Der vekslák zückte ein Bündel Banknoten, hielt es mir vor den Bauch und zählte routiniert die Scheine ab. Bei two-thousand-eight-hundred hörte er auf und hielt mir das Geld entgegen. Obenauf lag ein 50-Kronen-Schein, den Rest konnte ich nicht sehen. Als ich ihn bat, mir die anderen Banknoten zu zeigen, nahm er einen grünen, neu aussehenden Schein etwa in der Größe eines tschechischen Hunderters – allerdings mit kyrillischer Aufschrift. In dem Augenblick gab ich die Rolle des naiven Touristen auf und fragte in tschechischer Sprache, ob das tschechisches Geld sei. Statt einer Antwort warf der vekslák mir einen entnervten Blick zu, drehte sich um und verschwand in der Menge. Ohne besondere Eile, der Mann fühlte sich sicher – wie zu Hause eben.
Ich weiß nicht, wie viele Leute unerfahren genug sind, um auf so einen Trick hineinzufallen. Jedenfalls ist mir dieser Typ an dem Tag noch dreimal in der Innenstadt über den Weg gelaufen. Er scheint an seinen Erfolg zu glauben, und wahrscheinlich hat er auch gute Grunde dafür.