Ich habe vor kurzem erfahren, dass es in Tschechien noch „richtigen“ Absinth gibt. Das hat in mir sofort den Wunsch geweckt, dem Dichter Arthur Rimbaud in jene ekstatischen Sphären zu folgen und ein voyant zu werden. Allerdings erscheint mir auch schon die Aussicht, das Bild eines einsamen Absinthtrinkers abzugeben, äußerst verlockend.
Der geeignete Ort für Absinthkonsum ist wohl das Café Slavia. Dort kann man sich nämlich direkt neben das Gemälde „Der Absinthtrinker“ von Viktor Oliva setzen. Falls mir also doch nach einigen Gläsern nach einer Unterhaltung zumute ist, habe ich gleich einen Gesprächspartner neben mir.
Beim Betreten des Cafés erschlägt jedoch die Masse an Leuten und das dröhnende Stimmengewirr meine hochfliegenden Pläne: Ich bin froh, irgendwo einen Platz zu finden; kann jedoch meinen Komplizen, „den Absinthtrinker“, nirgends ausmachen. Außerdem nimmt mir der Lärm jede Hoffnung, mich auf das Verfassen eines hervorragenden Gedichtes konzentrieren zu können.
Deshalb beschließe ich, nachdem ich einen Absinth bestellt und die Verbrennungsprozedur des Zuckers abgeschlossen habe, dass ich viel lieber Malern wie Vincent van Gogh und Paul Gaugin nacheifern will. Ich zücke meinen Block und einen Kuli und skizziere die Szenerie des Cafés. An diesem Getümmel hätte ein impressionistischer Künstler sicher seine Freude, schießt es mir durch den Kopf. Ich trinke einen Schluck Absinth und komme mir sehr künstlerisch vor.
Unabhängig davon, ob ich nun ein voyant geworden bin, habe ich doch das Bild eines einsamen Absinthtrinkers abgegeben. Ich bin zufrieden.