Von Lenka Reinerová, meiner posthumen Gastgeberin, bin ich wirklich beeindruckt. Auch davon, wie präzise und unmittelbar, wie selbstbewusst und gleichzeitig sachlich nüchtern die alte Dame in Frank Gutermuths Interviewfilm über ihr Leben – und das von ihr Erlebte – spricht. Nur, was das Spezifische des „Prager Deutsch“ ist - das verstehe ich nicht auf Anhieb, abgesehen vom spezifischen Sound. Aber dann bekomme ich doch ein Beispiel zu hören: „Auf was brauchst Du das?“
Auf was brauchen wir all' die Klaviere, die in Pag umherstehen? Um den kreativen Potentialen der Vorbeikommenden eine Entfaltungsmöglichkeit zu geben. Ich bin fasziniert davon, wie unterschiedlich sich die Begegnungen zwischen Pianopausierenden, dem Instrument und den Spontanzuhörern gestalten.
Termin in der Bibliotek des jüdischen Museums. Die Straßen sind gesperrt, an den Barrieren stehen Polizisten mit Maschinenpistolen. Jom Kippur. Ich beginne, an der Richtigkeit meiner Verabredung zu zweifeln – aber die Bibliothek hat trotz des hohen Feiertags geöffnet. Mein Gesprächspartener ist Judaist, aber nicht Jude. Für ihn ist heute ein Arbeitstag.
Wie sieht denn die „Süddeutsche“ auf einmal aus, fragt abends mein Sohn, der zu Besuch gekommen ist. „Ach, das ist die „Studentenzeitung“? Dass es eine „Sudetendeutsche Zeitung“ gibt, wusste er nicht – ich selbst hatte sie auch noch nie gelesen. Jetzt dafür umso gründlicher. Die Geschichte vom Jagdhorn zum Beispiel, dem unbedingt „ein prominenter Platz“ im künftigen Sudetendeutschen Museum gebühre. Etwas überraschend allerdings, dass ausgerechnet der Willi Sitte-Retrospektive in Merseburg ein Plätzchen, bei den Ausstellungshinweisen eingeräumt wird, wenn auch das unterste – in einer Zeitung, die die DDR noch immer in Anführungszeichen setzt. Was hat der sozialistische Staatsmaler zwischen „Barockem Glas aus Schlesien“, „Marionetten aus Böhmen“ und Karl 4 in allen musealen Dareichungsformen zu suchen? Auch so ein Alltagsrätsel, diesmal ein sudetendeutsches.
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