Nicht weit von Prag entfernt liegt das beschauliche Städtchen Karlovy Vary (Karlsbad). Für günstige 12 Euro reist man mit den Bussen von Studentagency in knapp zwei Stunden dorthin, darum haben wir uns entschieden, am 7. Mai, dem Beginn der Kursaison, Karlsbad einen Tagesausflug zu widmen.
Nach der Ankunft am Busterminal (welches gleichzeitig auch der Bahnhof ist) sind es nicht einmal 5 Minuten Fußweg und man befindet sich bereits mitten im Zentrum. Von dort aus ist es nicht schwer, die Stadt zu erkunden: man folgt einfach dem Lauf des Flusses. Zunächst muss das unglaublich hässliche Gebäude eines Thermalhotels passiert werden. Ein kleiner Abstecher dorthin lohnt sich, wenn man noch keinen Stadtplan hat, denn hier befindet sich eine Touristeninformation. Nach dieser Pflichtübung schließlich, beginnt die Stadt ihren vollen Charme zu entfalten. Villen und Hotels säumen den Flusslauf und ziehen sich pittoresk die Berghänge hinauf, die das enge Tal umschließen, in dem Karlsbad liegt.
Schon bald stößt man auf die erste Quelle, von denen insgesamt 15 über die Stadt verteilt sind. Sodann wird man Zeuge eines seltsamen Rituals: Menschen nähern sich den Quellen mit zumeist furchtbar geschmacklosen und seltsam geformten Tässchen, um sich ein wenig des gesunden Nasses abzufüllen und es anschließend durch in die Tassen integrierte Strohhalme zu trinken. Das sieht für Außenstehende ungemein amüsant aus, zumal fast jeder Besucher der Stadt eine dieser Tassen in der Hand hält. Deren seltsame Form erklärt sich schnell im Selbstversuch. Denn das Quellwasser ist zwischen 50 und 65 Grad heiß, also nicht sofort zu trinken. Durch den Strohhalm wird es allerdings auf eine angenehme Trinktemperatur heruntergekühlt. Wer keine 100 – 150 Kronen für eine dieser Tassen ausgeben möchte, kann sich natürlich sein eigenes Trinkgefäß mitbringen. Dafür muss dann aber darauf verzichten, von anderen Leuten ausgelacht zu werden, die einen beim Trinkvorgang beobachten. Unbedingt sollte man auch die Schilder beachten, die angeben, wie heiß das Quellwasser ist. Sonst kann man sich nämlich schnell die Hand verbrühen, wenn man sie unbedarft in den Wasserstrahl hält – was dem Autor dieses Artikels selbstverständlich nicht widerfahren ist…
Über dem Geschmack des Quellwassers schließlich muss sich jeder selber ein Urteil bilden. Jedenfalls ist er gewöhnungsbedürftig. Mit der Zeit kann man jedoch mit professioneller Miene Unterschiede von Quelle zu Quelle definieren. Und ungemein gesund ist das Ganze bestimmt auch.
Wenn man dem Fluss schließlich eine Weile gefolgt ist und dabei die Häuser und schönen Holzpavillons, in denen einige der Quellen untergebracht sind, bestaunt hat, findet man sich schließlich vor dem Grandhotel Pupp wieder. Und auch wenn er zuvor noch nie in Karlsbad gewesen ist, wird der Betrachter das Gefühl nicht los, dieses Gebäude und den Vorplatz schon einmal gesehen zu haben. Nach kurzer Suche in verschiedenen Hirnwindungen kommt die Erleuchtung: es ist tatsächlich das Hotel, in dem James Bond in „Casino Royale“ Poker spielt. Nur, dass es im Film nicht in Karlsbad, sondern in Montenegro steht. Die Welt wird eben immer kleiner.
Mit dieser Überraschung hat man dann auch das Ende des interessanten Teils der Stadt erreicht. Für den Rückweg empfiehlt sich allerdings eine andere Route. Wenn man nämlich kurz nach dem Hotel (bei einem kleinen Brunnen mit einem ovalen Granitblock) links abbiegt, gelangt man auf einen schönen Waldweg, der entlang des Berges in den höher gelegenen Teil der Stadt führt. Entlang des Weges bietet sich ein wunderbarer Ausblick über die Stadt.
Aber auch mit einem Einblick wird der Wandersmann (oder die Wandersfrau) belohnt. Denn kaum verlässt man die Einkaufsmeile direkt am Fluss, kommt man plötzlich an völlig verfallenen und aufgegebenen Gebäuden vorbei, die früher durchaus ansehnlich gewesen sein müssen. Exemplarisch dafür steht das „Hotel Mallorca“ gleich am Anfang des Weges. Und je weiter man die Straßen nach oben steigt, desto eklatanter wird der Verfall. Hier wird deutlich, dass Karlsbad seine besten Tage lange hinter sich hat. Der Stadtkern ist nach wie vor wunderschön anzusehen, aber hinter der Fassade (bzw. auf ihr) bröckelt es.
Und noch etwas fällt ins Auge: viele der Schilder, auf denen Häuser zum Verkauf angeboten werden, sind komplett auf russisch, genauso wie die Aushänge vieler Restaurants im Zentrum. Offenbar haben die Russen Karlsbad für sich als Kurort entdeckt. So gibt es z.B. auch ein russisches Konsulat und sogar einen Direktflug von Moskau nach Karlsbad! Mit diesem Phänomen ist auch eine weitere Sehenswürdigkeit verbunden, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte: Eine prächtige orthodoxe Kirche. Ihre Lage ist auf dem an der Touristeninformation erhältlichen Plan verzeichnet.
Nach dem Marsch abwärts ins Zentrum kann man dann endlich den hungrigen Magen in einem der zahlreichen Restaurants zufrieden stellen. Wir hatten das Glück, dass zum Zeitpunkt unseres Besuchs gerade ein Mittelaltermarkt stattfand, auf dem wir uns mit deftiger Kost und Bier stärken konnten. Ferner waren Attraktionen wie allerlei Kunsthandwerk, ein Glasbläser in Aktion und waschechte Ritter mit Sonnenbrillen und Turnschuhen zu bestaunen.
Insgesamt hat unser Aufenthalt etwas mehr als fünf Stunden gedauert, was sich als ideal für Karlsbad erwiesen hat. Eingeplant ist dabei bereits eine Stunde für die Verköstigung. Fazit: Bei schönem Wetter ist Karlsbad ohne Einschränkungen einen Tagesausflug wert!