Es klingt verlockend. Jedes Jahr im Sommer werden Sprachlehrer in ganz Deutschland gesucht. Der bekannteste Bildungsträger ist das Goethe-Institut. Die Stundenlöhne sind aus tschechischer Perspektive hoch und das Prestige, das man sich mit Unterrichtserfahrung am Goethe-Institut erwirbt, gut. Was allerdings weitgehend unbekannt ist, ist die Tatsache, dass die Lehrkräfte von dem scheinbar guten Gehalt hohe Abgaben in Deutschland leisten müssen. Unter anderem auch an die Deutsche Rentenversicherung!
Lehrer sollen Merkels Integrationspolitik umsetzen - BamF und Goethe-Institut wollen keine Lehrer einstellen
Die Integrationspolitik der Bundesregierung verlangt schon seit Anfang des neuen Jahrtausends, dass immer mehr Lehrkräfte in Deutschland benötigt werden. Einerseits ist der Bedarf an hochqualifizierten Lehrkräften enorm gestiegen, andererseits möchte Deutschland kein Geld in Bildung investieren. (Auch und gerade das BamF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - vergibt seine Aufträge lediglich an private, möglichst günstige, Bildungsträger.) Die Lösung liegt da nah, die Lehrkräfte als Freiberufler auf Honorarbasis zu beschäftigen und zwar über mittlerweile mehr als 2 Dekaden hinweg. Damit haben sie rechtlich gesehen in Deutschland weder Lohn noch Gehalt, sondern lediglich ein Stundenhonorar, von dem sie selbst sämtliche Sozialabgaben abführen müssen. Möglich macht dies ein Gesetz aus dem Jahr 1913. 1989 erlebte es seine Renaissance. Der Stundensatz ist oft zu niedrig merkt die Gewerkschaft GEW kritisch an, um die in Deutschland teuren Rentenbeiträge bezahlen zu können und macht mit einer Beispielrechnung auf die horrenden Kosten für Lehrkräfte in der BRD aufmerksam.
Link zum Thema: taz.de: Lehrer protestieren nach Stellenabbau beim Goethe-Institut
Link zum Thema: Spiegel-Online: 73.000 LehrerInnen in Deutschland ohne Rentenversicherung
Viele Lehrkräfte müssen mit Stundenlöhnen von 14 € (ca. 362 Kronen) arbeiten. Andere können sogar bis 36 € (ca. 931 Kronen) in Deutschland verdienen. Das klingt für Tschechen nach viel Geld. Aber der Regelsatz, den Lehrer in Deutschland an die Rentenversicherung zahlen müssen beträgt: 579,39 € (ca. 14.988,-- Kronen) pro Monat in West-Deutschland. Hinzu kommen Kosten für Unterkunft (die Mieten in München betragen gut und gerne mal 1500 € - ca. 38.805,-- Kronen - pro Monat) und teure Fahrtkosten. Weitere Abgaben für anderen Versicherungen (z. B. ebenfalls teure Krankenversicherung und Steuern!) folgen. Diese Rechnung ließe sich noch detaillierter aufschlüsseln, doch schon allein diese Zahlen beschreiben, dass Stundenlöhne von 370,-- Kronen in Deutschland lächerlich und pure Ausbeutung sind.
Link zum Thema: "Der Staat treibt uns in Altersarmut" (Neue Osnabrücker Zeitung)
Tausende von Lehrern erhielten im Januar 2020 Post von der Deutschen Rentenversicherung
Ihnen drohen hohe Nachzahlungen
„Die Bildungsinstitute erzielen mit unserer Arbeitskraft fette Profite und wir Lehrer*nnen werden in die Illegalität abgedrängt.“
Beschwert sich eine Lehrkraft, die anonym bleiben will. „Wir haben Angst! Wer sich nämlich beschwert, verliert sofort seine Arbeit. Fristlose Kündigungen sind die Folge.“ Erklärt uns dieselbe Lehrkraft. Das ist in der Tat möglich, weil die Lehrkräfte nur den Status einer Honorarlehrkraft haben. Dieses Problem scheint nach Recherchen des Spiegels 73.000 Lehrkräfte in Deutschland allein an den Volkshochschulen zu betreffen. Schätzungen zufolge scheint es sich dabei lediglich um die Spitze des Eisberges zu handeln. Denn neben den Volkshochschulen gibt es auch noch Hunderte anderer Bildungsinstitute, wie eben auch das Goethe-Institut. Viele dieser Lehrkräfte haben im Januar dieses Jahres Post von der Deutschen Rente bekommen. Darin wurde ihr Status aus rentenversicherungstechnischer Sicht „beurteilt“ und es drohen für viele Nachzahlungen von bis zu 20.000 € (ca. 517.400 Kronen).
GEW-Vorstandsmitglied Daniel Merbitz: „Ein Schlag ins Gesicht der Lehrkräfte“
Einem Bericht der Mopo zufolge, habe sich nach einer Betriebsprüfung das Goethe-Institut München im Jahr 2015 mit der Deutschen Rentenversicherung darauf geeinigt, den Lehrern künftig den Status ihrer Selbstständigkeit deutlicher zu vermitteln.
„Das ist doch klar gewesen!“ Empört sich die anonym bleibende Lehrkraft: „Die DRV soll den Laden am Laufen halten und zwar auf unsere Kosten.“ Und weiter „Es ist schizophren: In den Kursen sollen wir das Bild eines demokratischen Sozialstaats Deutschlands vermitteln und seine Werte vertreten, während der gleiche Staat uns mit Füßen tritt.“
Link zum Thema: taz.de Bei Lehrern eines anderen Instituts nahm die DRV die Schule in die Pflicht
Link zum Thema: taz.de Interview mit einer ehemaligen Lehrkraft des Goethe-Instituts
In diesem Zusammenhang findet Merkels Flüchtlingspolitik in Deutschland zur Zeit auch unter den oft sozial engagierten Lehrkräften immer weniger Unterstützer. Mit Merkels Slogan: „Wir schaffen das!“ fühlen sich die Lehrer allein gelassen, während gleichzeitig in Deutschland nicht nur im Fach Deutsch, sondern in fast allen Fächern auch an Grund-, Haupt- und Realschulen ein akuter Lehrermangel herrscht.
Link zum Thema: Nicht nur Sprachschulen, auch allgemeinbildene Schulen arbeiten mit Honorarkräften ohne Zahlung der Rentenversichung in Deutschland (LehrCare)
Ein weiterer Lehrer, der in Braunschweig ein Jahr lang gearbeitet hat, schreibt uns: „Als ich nach einem Jahr noch immer keine langfristige und ernsthafte Perspektive, d. h. also eine unbefristete Festanstellung, angeboten bekommen habe, bin ich mit meiner Frau und meinen Kindern wieder zurück ins Ausland gegangen. Ich arbeite nun in China, wo die soziale Absicherung und das Gehalt um vieles besser als in Deutschland sind.“
Link zum Thema: "Verträge für DaF-Lehrer illegal?" (Deutsche Welle)
Auch in Prag hat sich mittlerweile eine große deutsche Gemeinschaft angesiedelt. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass jüngst die Stadt Prag ein Expat Centre eingerichtet hat. Es soll Ausländern helfen, sich in Prag niederzulassen, alle behördlichen Anmeldungen zeitnah zu erledigen und ein Gewerbe zu eröffnen.
Link zum Thema: Lehrerin unterrichtet Deutsch und muss von sozialer Unterstützung "Hartz IV" leben. (DIE ZEIT)
Viele Lehrer aus Deutschland arbeiten nun in Tschechien entweder als Festangestellte oder Selbstständige mit Rentenversicherung. Sie haben Deutschland den Rücken gekehrt. - Viele davon für immer!
Prag, 07.02.2020
Konstantin John Kowalewski