Was sagen uns die Worte „wasserstoffgebleicht, Rocker, geballte Faust und Lippen gekräuselt“? Genau, Billy Idol war in der Stadt und ich war dabei. An dieser Stelle würde ich gerne einige Kommentare anführen von Menschen, denen ich erzählte, dass ich auf das Konzert gehen werde. Julchen, das kinderfressende Metalgirl meinte: „WTF Billy Idol – wie geil. Hau dich rein, das ist so voll Glamrock.“ Mein Bruder, der nebenbei bemerkt etwas älter als ich ist, sagte: „Ich hab den vor Jahren mal live gesehen, der muss ja schon uralt sein. Aber er hatte ‘ne coole Show. Das könnte interessant werden.“ Und eine nicht näher zu spezifizierende, jedoch in der Hackordnung von Tschechien Online über mir stehende Person, sagte: "Diese blonde Punkschwuchtel!?!“ Wie wir also sehen, gehen die Meinungen bezüglich Billy Idols weit auseinander. Meine Ansicht zu Billy Idol nach diesem Konzert: Verdammt coole Sau und auch in seinem Alter immer noch sehr appetitlicher Body.
Doch bevor ich nun alles vorweg nehme, fange ich doch mal am Anfang an. Da stand wie immer das Klamottenproblem. Und hier muss ich anführen, dass die Fotoschnecke sich nun zurück nach Deutschland bewegt hat und ich mich in Zukunft alleine einkleiden muss. Das ist echt doof. Aber man muss der Realität ins Auge sehen. Also fragte ich das Metalgirl via Skype um Rat. Ihre Antwort: Glitzer, Pink, Lila, große Haare, Glamrock. Cool, mal abgesehen von lila Lidschatten besitze ich nichts in diesen Farben womit ich mich auf die Straße wagen würde. So stand ich stundenlang vor dem Schrank, bis ich beim Wühlen in den unteren Schubladen doch noch was mit Glitzer fand. War zwar ein Top, aber eines dieser elend langen Dinger, also funktionierte ich es kurzerhand zum Minikleid um. Dazu ‘ne Strumpfhose, Tonnen von lila Glitzer-Lidschatten, Mascara, Eyeliner, Haarspray und knallroten Lippenstift und ich war fertig.
Und das wurde auch höchste Zeit, denn ich war schon viel zu spät dran. Julchen sagt immer: Willst du in die erste Reihe, sei mindestens ‘ne Stunde vor Konzertbeginn da. Ja, das war der Plan. Gut, durch das Anziehproblem hatte ich 15 min Verspätung. Aber was mich wirklich reinriss, war mein verdammter Orientierungssinn. Eigentlich dachte ich ja, wir hätten das in Prag abgestellt, dieses ständige total-planlose-durch-die-Gegend-Gelaufe. Noch dazu weil ich ja im Sasazu, wo heute das Konzert sein sollte, doch schon diverse Male auf Erasmusparty gewesen war. Doch ich stelle mich so blöd an, dass ich doch tatsächlich über 20 Minuten auf dem Gelände rumirrte, bis ich den Klub endlich fand.
Dort angekommen machte ich mich wie immer auf zum Akkreditierungstand. Sehr zu meiner Überraschung konnte sich der charmante junge Mann, der mir schon diverse Mal eine Freikarte in die Hand gedrückt hatte, sogar noch an mich erinnern. Weniger zu meiner Freude stand ich auch diesmal wieder nicht auf der Liste. Gott sei Dank tauche auch diesmal der Chef auf und klärte die Sache, während ich wie immer mit rotem Kopf daneben stand.
Dann ging es an die Einlasskontrolle. Da ich in die O2-Arena und die Tesla-Arena mit all meinem Gerümpel gekommen war, ging ich davon aus, dass das heute auch nicht anders sein würde. Denkste! Nicht nur, dass mein kleines Taschenmesser mit der Fingernagelfeile in der Tonne landete, der Securitytyp „musste“ mich auch noch abtasten. Nicht, dass das sexuelle Belästigung wäre, zumal mein Kleid eh so eng war, dass ich kaum atmen konnte, geschweige denn eine Bombe darin verstecken. Aber was sein muss, muss sein.
Und dann war ich endlich drinnen. Es verblieben weniger als 30 Min bis zum angegebenen Konzertbeginn. Davor sollte noch ein Gang zur Toilette, der Kauf eines Bieres und der Kampf in die erste Reihe stattfinden. In Anbetracht der kilometerlangen Bierschlange entschied ich wagemutig: kein Klo. Stunden später und gefühlte 100 Mal von irgendwelchen Omis in weißen Schlabbershirts und Sandalen für mein Glamrock-Outfit gedisst, hatte ich endlich das Bier und grub mich durch die Menge in Richtung ganz vorne. Und sehr zu meinem Erstaunen kam ich ohne Problem in die zweite Reihe. Viel erstaunlicher fand ich die Tatsache, dass der halbe Nachtklub mit Deutschen bevölkert war. Vor mir, hinter mir, überall wurde Deutsch geredet.
Und während ich rauchender- und biertrinkenderweise noch darüber nachdachte, was die hier denn alle machten, ging um drei nach halb zehn das Licht aus und der Albtraum eines Rockers, wie das britische Musikmagazin New Musical Express Billy Idol mal bezeichnet hatte, kam auf die Bühne. Gerade wollte ich mir diese Pünktlichkeit loben, als von hinten fettes Gedrücke anfing. Und das schlimmer als bei Sonisphere! Aber glücklicherweise stand ich so, dass man mich maximal weiter nach vorne drücken hätte können und das hätte ich gar nicht so schlecht gefunden. Nach der ersten Hormonwallung beruhigte sich die Lage bei den Altrockerinnen auch wieder und das Gedrückte hörte auf.
Somit hatte ich nun Zeit, mich auf die Show zu konzentrieren. Und die war ziemlich energiegeladen. In Begleitung einer Band rockte der Rocker wie in alten Zeiten, hatte man so das Gefühl. Auch aus alten Zeiten waren seine Klamotten. Original 80er und ganz originalgetreu wurden diese mit jedem Song weniger. Anfangs fand ich das ja ein wenig beängstigend. Betrachtet man nämlich mal Idols Gesicht, dann stellt man schnell fest, dass es wenig förderlich zur Faltenvermeidung ist, über Jahrzehnte immer so eine Schnute zu ziehen. Klar, das ist sein Markenzeichen, aber eben kein guten Antiagingtraining. Und da hatte ich doch etwas Angst, was zum Vorschein kommt, wenn er auch das letzte Oberteil ausgezogen hat. Angesichts der immer steigenden Temperatur in Sasazu konnte ich jedoch gut verstehen, wieso Idol sich auszog, und gerne hätte ich es ihm gleich getan.
Und als es dann soweit war und als das letzte Shirt fiel, war ich doch extrem überrascht. Der Oberkörper war auch aus den 80ern. Perfekt durchtrainiert, genau definiert. Da ärgerte es mich nun doppelt, dass die Bühnenbeleuchtung den ganzen Abend fast ausschließlich rot oder gelb war, da es sich nun extrem schwer gestaltete, gute Fotos zu machen. Denn irgendwie verschwinden Konturen immer in diesen Farben. Ob Idol das extra angeordnet hat, um sein Gesicht, dass sich nicht ganz so gut gehalten hat wie der Rest, zu verstecken? Wer weiß.
Doch nun genug der oberflächlichen hormongesteuerten Kommentare. Ich bin ja nicht besser, als die Rockomis!
Kommen wir also zur Musik. Die war echt ziemlich geil. Nach einer kurzen Anwärmphase, schließlich gab’s keine Vorband, kamen ein paar langsamer Lieder. Darunter unter anderem das beliebte „Sweet 16“. Danach wurde es kontinuierlich schneller, der Höhepunkt stellte, und wie könnte es anders sein „Rebel Yell“ dar. Danach gab’s dann nach einer längeren Bitte-Bitte-Pause noch eine dicke Zugabe, die unter anderem „White Wedding“ enthielt. Spätestens hier waren dann alle Rockomis kurz vorm Infarkt. Idol selbst hüpfte dabei auf der Bühne auf und ab, und griff sogar zweimal selber in die Seiten, die Gitarre wurde ihm extrem von einem Roadie umgelegt.
Zwischen den Songs gab sich Idol extrem Fan-freundlich. Neben einer Fuhre signierter Pappteller, warf er einige Sätze Sticks in die Menge, sowie einen Teil der Setlist. Er schüttelte dutzende Hände und signierte sogar mitten im Konzert eine Platte, die ihm ein Fan entgegenhielt. Fand ich sehr anständig und hab ich in solcher Weise bisher noch nicht gesehen!
Weniger anständig fand ich die Tatsache, dass ich von alldem nicht abgekommen habe, da zwischen Idol und mir eine Säule war. Aber das ist der Preis, den man zahlt, wenn man so spät kommt. Doch dankenswerterweise versteckte sich Idol nicht allzu oft hinter selbiger, sodass ich doch sehr gute Sicht hatte, der Abend echt ziemlich cool war und Billy Idol verdammt geil in jeder Beziehung. Und das sage ich als nicht Rockomi aus den 80ern!