Was lange währt wird endlich gut! Letzten Sonntag war es dann endlich soweit. Nach Monaten des Bangens, Hoffens, Organisierens und der Vorfreude, begann endlich mein Jahr in Prag.
Da Matĕj, mein neuer Mitbewohner/Vermieter mit ein paar Freunden nach München gekommen war, um aufs Oktoberfest zu gehen, wurde mir der Luxus zuteil, dass er mich am Sonntag mit dem Auto von Zuhause abholte und so all meine tausend Koffer, Taschen und was auch immer auf bequemen Weg nach Prag transportiert wurden. Nach einem traditionell bayerischen Mittagessen (Schweinebraten und Knödel), wie Matĕj sich das gewünscht hatte, begannen wir, das Auto im wahrsten Sinne des Wortes vollzustopften. Natürlich konnte ich mich auch diesmal nicht entscheiden, was ich zuhause lassen sollte und was nicht. Schließlich weiß man ja nie, was einen so erwartet und als Frau braucht man ja immer eine größere Auswahl. So waren es dann letztlich zwei Koffer, zwei Reisestaschen, sowie diverse Schachteln, Tüten und Taschen. Kaum war die letzte Tasche verstaut, ging’s auch schon auf ins Abendteuer Auslandstudium. Etliche Stunden später erreichten wir dann in der Abenddämmerung Prag und Matĕj zeigte mir zum ersten Mal unsere neue gemeinsame Wohnung. Bevor ich diese aber bestaunen konnte, mussten wir zuerst noch die Tonnen von Gepäck in den dritten Stock wuchten.
Als wir das endlich geschafft hatten, und ich kurz davor war an akutem Sauerstoffmangel zu sterben, da ging die Tür in unser Reich auf. Ja, was soll ich sagen. Einfach ein Traum! Riesengroß, hell – einfach der Wahnsinn. Ich hatte zwar vorab schon Bilder gesehen, aber diese wurden der Wohnung nicht im Mindesten gerecht, und da fiel es auch gar nicht so sehr ins Gewicht, dass sich bis auf bei Küche noch absolut keine Möbel in meinem neuen Territorium befanden. Um die erste Nacht zu überbrücken, liehen wir uns kurzerhand zwei Matratzen von den Großeltern, die ganz in der Nähe wohnen. Als die dann bezogen waren, und mein Gepäck in meinem riesengroßen Zimmer verteilt war, tranken Matĕj und ich noch ein Bier auf den ersten Abend und schon fiel ich todmüde ins Bett.
Da Montag ja Feiertag war und ich somit nichts an der Uni erledigen konnte, fuhren Matĕj und ich erst mal nach Zličín zu Ikea, wo wir den Tag damit verbrachten, Möbel auszusuchen.
Am nächstens Tag zog es mich ganz früh an die Uni zur Registrierung. Da ich nämlich keine Erasmusstudentin bin, sondern über ein bilaterales Uniabkommen einen Platz an der Karls-Universität bekommen hatte, litt und leide ich noch immer unter eklatantem Informationsmangel. Diesen hoffte ich nun bei der Registrierung zur stillen. So trippelte ich frohen Mutes um 10 Uhr morgens in den zweiten Stock der Philosophischen Fakultät. Nun hatte ich dummerweise einen Tag erwischt, an dem sich zeitgleich auch die Massen von Erasmusstudenten immatrikulierten. Es dauerte circa 15 Minuten bis ich mich dann durch die anstehenden Erasmusstudenten durchgekämpft hatte und das verheißungsvolle Zimmer No. 128 betrat. Sogleich kam dann auch eine sehr aufgebrezelte blonde Dame auf mich zugestürzt. Als ich dieser erklärt hatte, dass ich kein Erasmus-Student sei und meine Koordinatorin suchte, erklärte sie auf tschechisch, dass dies die rothaarige Frau dahinten in der Ecke sei und ich hier warten solle bis diese frei sei. Nun gut. Das war doch nun der ideale Zeitpunkt, um Kontakt zu meinen neuen Mitstudenten aufzunehmen. Da ich nämlich nicht im Kolej wohne, bin ich nicht von haus aus mit all den Austauschstudenten bekannt. Und was wäre besser dazu geeignet, als ins Gespräch zu kommen, wenn man irgendwo ansteht; dachte ich zumindest. Denn irgendwie wollte das nicht so recht klappen. Aber ehe ich mir darüber noch sorgen machen konnte, war schon meinen Koordinatorin frei. Ratzfatz füllte diese dann meinen Index, was etwa dem deutschen Studienbuch gleicht, aus, drückte mir einen Stapel mit Infoblättern in die Hand und wünschte mir alles Gute. Äh, das hatte ich dann nicht so ganz erwartet. Denn während ich auf besagte Dame gewartet hatte, waren am Nachbartisch Erasmusstudenten eingeschrieben worden. Diese hatten einen dicken Reader mit Infos bekommen und noch dazu wurden ihnen tausend Dinge erklärt. Und ich wurde einfach so abgefrühstückt! Ok, wird schon, dachte ich mir und machte mich erst mal auf den Weg, den Schalter für die Ausgabe des Studentenausweises zu finden. Als ich diesen dann endlich gefunden hatte, waren schon geschätzte 2000 Stundeten dort. Nichtsdestotrotz zog ich mal eine Nummer. 213- wow, nur 100 Studenten waren vor mir! Da es Mittag war und ich vor lauter Aufregung am Morgen nichts runter gebracht hatte, entschied ich mich, zusammen mit Matĕj, den ich an seiner Fakultät getroffen hatte, erst einmal Essen zu gehen. Doch auch als ich EINE Stunde später wiederkam, hatte sich die Schlange lediglich um 20 Studenten verkürzt. Somit beschloss ich das für diesen Tag sein zu lassen, zumal Zuhause noch haufenweise Möbel zum Aufbauen warteten.
Als ich mich dann am Mittwoch noch im Morgengrauen aus dem Bett gequält hatte, um auch ja bei der Studentenkartenausgabe zu sein, sobald diese öffnete, wusste ich noch nicht, was das für eine doofe Idee war. Nachdem ich nämlich im Halbdunkeln durch den Regen gelaufen und ganz stolz am Ausgabeschalter angekommen war, ohne mich dabei wirklich grob zu verlaufen, erfuhr ich, dass das Amt nicht, wie in meinen Infoblättern geschrieben, um 9 Uhr öffnen würde, sondern erst um 10! Hervorragend. Da saß ich nun mit ca. 50 andern Hanseln, doch auch mit ihnen gelang es mir nicht, ein interessantes Gespräch anzufangen. Einmal abgesehen von den drei Wörtern mit einer Dänin, die aussah wie ein begossener Pudel und einem, für meinen Geschmack zu sehr von sich überzeugten, Deutschen aus Hannover. Nicht zu vergessen wäre dann noch die extrem schüchterne Amerikanerin, die so leise sprach, dass ich sie kaum verstand. Dafür konnte ich mir die Zeit beim Schlange stehe damit vertreiben, mich über eine Gruppe Griechinnen aufzuregen, die so dreist waren, am Nummernschalter einfach mal für ihr halbes Wohnheim, dessen Bewohner natürlich nicht hier waren, Nummern zu ziehen. Na ja nach zwei Stunden hatte ich dann auch endlich meinen Studentenausweis. Leider keine ISIC-Card, da ich ja kein Erasmusstudent bin. Doch auch das sollte noch nicht das Ende der Diskriminierung sein. Seit Mittwochnachmittag versuche ich nämlich, meinen Koordinator in Fach Geschichte zu erreichen, der mir bei der Kurswahl behilflich sein sollte, mir aber vor allem sagen sollte, wann und wo die Kurse stattfinden. Mittwoch dachte ich noch, ich schreibe diesem eine Mail, wann er denn Zeit für mich hätte. Als ich Donnerstagnachmittag noch keine Antwort hatte, machte ich mich auf, ihn persönlich an der Uni aufzusuchen, da ich dort sowieso wegen des Einstufungstest in Tschechisch hinmusste, welcher, nebenbei gesagt, echt hart war. Natürlich war er zu diesem Zeitpunkt nicht im Büro. Eine Kollegin meinte jedoch, er beantworte brav E-Mails. Also machte ich mir keine Sorgen und verbrachte den Rest des Tages erstmal mit dem einzigen Austauschstudenten, den ich bisher auf meiner ersten Erasmusparty kennengelernt hatte. Als ich dann am Freitagmorgen immer noch keine Nachricht von besagtem Koordinator hatte, wurde ich doch etwas nervös; schließlich fängt am Montag die Uni an. Da ich ihn auch telefonisch nicht erreichen konnte, schlug Matĕj vor, noch mal die Dame, die mich eingeschrieben hatte, aufzusuchen. Nach einem kurzen Stopp an einem Fahrkartenstand, wo ich mir endlich meine Dreimonatskarte für sagenhaft günstige 720 Kronen kaufte, wurde mir dann empfohlen, mir einfach keine Sorgen zu machen wenn alles etwas chaotisch sei. Ich solle einfach mal in die Kurse, in die wollte, gehen und in ca. drei Wochen habe sich das alles schon etwas eingespielt. Nun gut, ich habe mir nun einfach mal ein paar Kurse, von denen ich weiß, wann und wo sie stattfinden sollen, herausgesucht und werde weiterhin versuchen meinen Koordinator zu erreichen. Vielleicht habe ich ja diese Woche Glück?