Nun war ich ja seit Anbeginn meines Pragaufenthaltes der Meinung, ich sollte diesen mit einem Tattoo und damit einer immerwährenden Erinnerung an dieses Jahr krönen. Und da sich das Ende ja doch langsam aber stetig nähert und man sich ein Tattoo günstiger weise nicht gerade im Hochsommer stechen lässt (das Ding darf nämlich eine Woche nicht nass werden und somit ist duschen etwas kompliziert und wenn man dann täglich schwitzt wie ein Affe …), ist es schon mal an der Zeit, sich ein bisschen Gedanken zu machen. Da kam es mir gerade gelegen, dass am Wochenende eine Tattoo-Convention in Prag stattfinden sollte. Meine Erwartungen waren groß. Das Programm kündigte nicht nur 60 Wettbewerbsteilnehmer aus aller Welt an, sondern darüber hinaus auch noch ein buntes Unterhaltungsprogramm. Cool, cool, dachte ich mir und machte mich am Freitagnachmittag zusammen mit einer Freundin auf zum Ausstellungsgelände PVA Letňany.
Nachdem wir dann endlich am Ende von Prag, und ich meine wirklich am Ende, dahinter kommen nämlich Felder und Wiesen, angekommen waren, ging erst mal das Suchen los. Gott sei Dank sind nicht alle Menschen solche Orientierungs-Spasten wie ich und so standen wir dann kurze Zeit später auch schon vor den Toren zum vermeintlichen Tattoo-Himmel. Freudig erregt holte ich meinen neu erstandenen Presseausweis aus der Tasche und schwupps, war ich gratis auf der Convention.
Kaum hatten wir uns in die Halle geschoben, da war es auch schon zu vernehmen: Das Surren der Tattoo-Maschinen. Ich spürte sofort ein Kribbeln und aufgeregt begannen wir, uns umzuschauen. Diverse szenespezifischen Kleiderhändler und eine verdammt schöne, aber einfach heillos überteuerte, pinke Leopardenhandtasche hinter uns lassend, kamen wir endlich zum ersten Tattoostand. Dort wurde auch schon eifrig gestochen. Am liebsten hätte ich mich auch gleich auf eine der Tattoobänke gelegt und die Nadel auf meiner Haut gefühlt. Doch Gott sei Dank hat meine Freundin mich zurückgehalten, wer weiß, mit welchem aberwitzig-sinnfreien Motiv ich sonst nach Hause gekommen wäre.
Sehr zu unserem Erstaunen war noch nicht wirklich viel los. Viele der Tische waren unbesetzt, die Massen, die wir erwartete hatten, schoben sich nicht durch die Halle. Ja ganz recht, das ganze Event fand nur in einer Halle statt. Naja, es ist ja Freitag, da müssen viele arbeiten, das wird schon noch, trösteten wir uns und machten weiter die Runde.
Und dann wäre mir meine große Klappe beinahe zum Verhängnis geworden. Seit ich hier bin, bin ich ja daran gewöhnt, immer und überall ganz offen meine Meinung zu äußern, weil mich ja eh keiner versteht. Doch als ich gerade so vor mich hinbrabbelte und mich beschwerte, dass ich bei keinem der Vorlagenkataloge – und mittlerweile hatte ich alle in der Halle durchgeblättert – einen Affen gefunden habe, da wurde ich plötzlich auf deutsch angesprochen. Was ich denn suche, fragte mich eine Dame. Naiv antwortet ich, einen blauen Affen. Jaja, ich weiß, das ist keine wirklich gute Motivwahl, was mir Gott sei Dank auch noch klar wurde, bevor es zu spät war. Doch ehe ich mich nun versah, saß ich mit dem Zeichner von diesem Tattooladen zusammen und diskutierte meine Vorstellungen. Gerade konnte ich ihn noch davon abhalten, mir seine Entwürfe gleich auf die Haut zu zeichnen. Und Gott sei Dank traf er meine Vorstellungen nicht so wirklich, sodass ich mich noch mal aus der Affäre ziehen konnte, sonst hätte ich nun eine immerwährende Erinnerung an ein Sepultura-Konzert. Und das will ich nicht wirklich, wie mir wenig später klar wurde. Leider sah ich mich jedoch aufgrund dieses Zwischenfalls gezwungen, den Rest der Convention einen großen Bogen um diesen Stand zu machen.
Doch jetzt, wo ich der Nadel so knapp entronnen war, wollte ich um so mehr ein Tattoo und das Surren der Maschinen machte mich nur noch hibbeliger. Um etwas runter zu kommen, machten wir nun erst mal eine kleine Essenspause. Zwei Bier später war es dann auch Zeit sich zu verabschieden, schließlich war am Abend das Konzert der Guns N‘ Roses-Revival-Band im Vagon, was wir auch nicht für eine Tattoo-Convention und schon gar nicht eine auf der so wenig los ist, verpassen wollten.
Samstag hielten uns dann auch diverse andere Aktivitäten vom Besuch des Wettbewerbs ab, sodass wir erst Sonntag wieder dort aufkreuzten. Dieses Mal verwehrte mir ein griesgrämiger alter Langhaarfreak den Gratiseintritt mit dem Presseausweis und ich musste den vollen Preis von 170 Kronen blechen. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich das ziemlich doof fand. Ist ja nicht so, dass ich irgendeine billige Ausweiskopie hätte. Nein ich habe das Original vom Tschechischen Presseverband.
Nachdem ich mich darüber ausgiebig aufgeregt hatte, machten wir wieder die Runde. Diesmal war etwas mehr los, doch voll war die Halle immer noch nicht. Auch stellte ich erstaunt fest, dass sich hier nicht das meiner Meinung nach typische Tattoo-Convention-Publikum aufhielt. Viele Modepüppchen mit Prada-Tasche und Luis Vuitton-Schals, etliche hochschwangere Normalofrauen und dazwischen ein Schwung Kinder und vermeintlich herrenloser Hunde. Aber dazwischen erspähte ich dann so was wie die tschechische Abteilung der Hells Angels und daneben den wohl süßesten Tätowierer der Welt. Groß, muskulös, langhaarig und gerade dabei, einem maximal 16-jährigen blonden Mädel ein riesengroßes, jedoch vom Motiv für mich absolut unverständliches, Tattoo quer über den Rücken zu stechen. Meiner Meinung nach hat sie das ja nur gemacht, damit er möglichst lange an ihr rumfingert und letztendlich hatte sie auch Erfolg damit und Telefonnummern wurden ausgetauscht.
Anstelle eines schnuckeligen Tätowierers fand ich nun endlich Inspiration für mein Tattoo, was vielleicht etwas ästhetischer ist, als sich eine blaue Glühbirne oder einen kotzenden Troll stechen zu lassen, so wie ich das an diesem Tag auch beobachten durfte.
Langsam neigte sich der Tag dann auch schon wieder dem Ende zu und nach einer kurzen Jurybewertung der Arbeiten von heute und einer Preisverleihung, bei der die Glühbirne doch tatsächlich einen Preis bekam, machten wir uns dann auch auf nach Hause. Und das ohne wirklich was vom versprochenen Rahmenprogramm mitbekommen zu haben. Dafür habe ich nun aber einen großen Stapel an Visitenkarten und damit schon mal meinen potentiellen Tätowierer.