Plastic People of the Universe - mehr Worte sollte es eigentlich nicht brauchen, um den letzten Dienstagabend zu beschreiben. Nach Monaten des Wartens, im Dezember wollte nämlich niemand mit mir zum Konzert, war es nun endlich soweit und ich war auf meinem ersten Plastic-People-Konzert.
Es ist dunkel, ich bin auf dem Weg ins Vagon, dem Ort wo heute die PPU auftreten werden. Ich bin spät dran. Endlich biegt die Tram um die Ecke bei der Národní třída. Ich sehe meine Begleitung schon ungeduldig vor dem Eingang auf- und ablaufen. Endlich bin ich da. Schnell rauchen wir noch eine, bevor wir uns ins Getümmel stürzen. „So, what kind of band is it tonight?“, fragt mich meine Begleitung, die von den Plastic People noch nie was gehört hat. Hmm, eine gute Frage. Psychedelic kommt dem ganzen wohl an Nahesten. Doch eigentlich ist es eine Mischung aus Rock, Jazz und Psychedelic. Einfach ein Kunstwerk, schwer zu beschreiben. Und sie sind alt. Gegründet kurz nach der Niederschlagung des Prager Frühlings, verstand sich die Band als ein Teil der Gegenkultur zum Kommunistischen Regime. Diese Verweigerungshaltung führte zur Verhaftung einiger Bandmitglieder und dieser Umstand war ein Mitauslöser für die Gründung der Charta 77. Während mich als Geschichtsstudentin die Tatsache, dass ich heute Abend geschichtlich so bedeutenden Menschen so nahe sein werde, total faszinierte, ist meine Begleitung davon eher weniger beeindruckt. Doch das würde sich im Laufe des Abends noch ändern.
Nun haben wir die Zigarette fertig geraucht und gehen die Treppen in den Keller. Kaum haben wir die Eingangstür geöffnet, fällt uns sofort auf, dass heute hier etwas anders stattfinden wird, als ein normales Konzert. Der Klub ist rammelvoll. Doch nicht nur die Zahl der Besucher ist größer als sonst. Auch der Eintrittspreis wurde um 50 Kronen auf 150 angehoben. Brav zahlen wir diesen, geben die Jacken ab und holen uns ein Bier. Da alle Plätze besetzt sind, bleibt uns nichts anders übrig als uns an der Seite vor der Bühne zu platzieren. Eigentlich bin ich darüber nicht begeistert, ich würde lieber sitzen. Aber später wird sich herausstellen, dass wir uns dadurch eine gute Sicht auf die Bühne gesichert haben, die sich so manch andere durch mühsames Nachvornedrängen erarbeiten müssen.
Während wir uns unterhalten, wird ein, wie Methusalem aussehender, etwas zittriger Mann auf die Bühne geführt. „This is one of the members of the PPU“, erkläre ich meiner Begleitung, der Vratislav Brabenec, dem Klarinettisten der PPU ungläubig nachsieht. „You said, they are old, but they are more than that“, gibt er erstaunt von sich. So langsam finden sich auch die anderen Bandmitglieder auf der Bühne ein, die Massen, eine kunterbunte Mischung aus jung und alt, aus Alternative und Anzugträger strömt nach vorne und das Konzert beginnt. Kurz nachdem die ersten Töne erklungen sind, drängt sich eine Gruppe Junghippies, barfuß und teilweise mit nackten Oberkörpern, direkt vor die Bühne. Den Platz werden sie bis zum Ende des Konzerts, was eigentlich mehr den Charakter eines Happenings hat, nicht mehr verlassen und sich dort Marihuana rauchend in Trance tanzen. Während ich fasziniert den Hippies auf ihrem Weg in die Musik zusehe, ist meine Begleitung beeindruckt. Und das nicht nur von der Band und ihrer Musik, sondern vor allem vom Klarinettisten. Dieser scheint gesundheitlich nicht mehr ganz so fit zu sein, hat man ihm doch extra einen Stuhl auf die Bühne gestellt. Auf diesen lässt er sich immer mal wieder nieder, um sich auszuruhen. „He looks like being in another world. Normally you see passing by the concert on the face of the musicians, but he is so relaxed”, gibt meine Begleitung in tiefer Bewunderung von sich.
Langsam kommt die Band dann auch bei den eher düsteren, wirklich psychedelischen Sachen an, die mich in ihrer Groteske an einen Vortrag von Poes “Der Rabe” mit musikalischer Untermalung erinnern. „That’s really weird“, sagt meine Begleitung dazu, aber erstaunlicherweise gefällt es uns. Wir versuchen uns irgendwie zum Rhythmus der Musik zu bewegen. Nun kommen ein paar langsamere Lieder, über den Frühling, wenn ich richtig verstanden habe. Ich schließe die Augen und versuche wie die Hippies in die Musik zu fallen.
Das Konzert nähert sich dem Ende. Nach einer grandiosen Zugabe verlassen die PPU die Bühne. Wir beschließen, uns noch ein Bier zu holen und uns zu setzten. Dabei landen wir versehentlich an dem für die Plastic People und ihren inneren Kreis reservierten Tisch. Doch anstatt uns zu vertreiben, bekommen wir Gelegenheit ein paar Sätze mit ihnen zu wechseln. Ich bin ganz hin und weg und weiß gar nicht was ich sagen soll. Nun kommt auch „Methusalem“, der Klarinettist an den Tisch. Ich staune Bauklötze, als er sich lässig eine Kippe anzündet, sich ein Bier krallt und mit den Hippiemädels zu flirten beginnt, sah er doch Minuten zuvor auf der Bühne noch so aus, als würde er demnächst ein Sauerstoffzelt benötigen.
Noch einmal lasse ich den Blick durch den Raum schweifen. In der Ecke lehnen zwei Typen im Maßanzug, dahinter steht eine Art Guru, wie meine Begleitung meint. Ein alter Mann mit langem grauen Haar und Bart, der mit 5 unterschiedlich großen Schmetterlingsspangen zu einen Kunstwerk verwoben ist. Dazu trägt er Military-Hosen und einen Art Kaftan. Auf der Bühne sitzen die Hippies, völlig fertig und verschwitzt und starren ins Leere. Ich höre meine Begleitung sagen: „This evening was amazing!” und ich kann mich diesen Worten nur anschließen.