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| | Musik | 17.7.2010

Eine erleuchtete Nacht – The Doors in der Stadt

Es sind die 60er. Hippiezeit, Love and Peace, Drogenrausch, Freiheit, alles ist möglich. Jim Morrison als die Verkörperung von alledem. Aufrührerisch, selbstzerstörerisch, charismatisch. Durch ihn werden die Auftritte von The Doors zu extatischen Happenings. Und dann sein plötzlicher Tod. Unter dubiosen Umständen in Paris – eine Legende ist geborgen. Doch was wird aus dem Rest der Band? Erst versucht man es ohne Morrison, was jedoch nicht funktioniert, sodass man sich trennt. 2002 finden Manzarek und Krieger wieder zusammen und zurück auf die Bühne. Und als wäre nichts gewesen, spielten sie wieder die alten Songs. Manch einer mag sich fragen, was Menschen jenseits der 60 bewegt, sich wieder auf die Bühne zu stellen und so zu tun, als wäre man noch ein Jungspund. Ist es Geldnot, die Krieger und Manzarek dazu veranlasst? Oder einfach nur der Rock im Herzen, der nie alt wird? Und kann sowas überhaupt gut sein? Letzten Dienstag machte ich mich nach einem anstrengenden Arbeitstag auf, dies zu erkunden.

Es ist kurz vor acht Uhr abends. Ich bin in der Metro Richtung Vyšehrad, zum Kongresovė Centrum. Mir gegenüber steht ein Jim Morrison Look-alike. Das Konterfei auf dem Bandshirt und sein Gesicht ähneln sich verblüffend. Ich versuche zu flirten, doch er scheint nur das Konzert im Kopf zu haben, sieht mich gar nicht im meinem tief dekolletierten Blümchenhippiekleid. Wir kommen an. Er springt aus der Bahn und marschiert los. Ich versuche ihm zu folgen, lese dabei ein Dutzend Mal die Lyrics von Light my Fire auf seinem Rücken. Kurz vor dem Eingang verliere ich ihn dann irgendwie im Gedränge. Das ist dieses Mal aber auch echt groß. Ich versuche, den Weg zur guest list zu finden, doch bleibe ich unterwegs im Gang stecken. Massen von Menschen wollen ihre E-Tickets gegen Originale eintauschen und verstopfen den Durchgang. Ich bin genervt. Es ist sauheiß, ich bin unendlich spät dran und noch immer weiß ich nicht, ob sich meine Panik überhaupt lohnt. Denn mein Mitbewohner meinte ja, es gebe hier eh nur Sitzplätze und dann kann ich ja kommen, wann ich will, muss mir keinen guten Platz sichern.  Endlich bewegt sich die Schlange, ich kann mich durch die Tür quetschen, mich zur guest list vordrängen. Inzwischen bin ich mit dem Ticketverteiler ja schon befreundet, er erkennt mich schon von weitem, zieht mich vor und drückt mir mein Ticket in die Hand. Ich lächle und dränge mich wieder nach hinten. Nun versuche ich mal in der verwirrenden Architektur des Kongresové Centrums den richtigen Weg zu finden. Kurze Zeit später gehe ich dann in den Saal. Kommunistischer Charme hoch drei. Das wäre an und für sich ja noch nicht schlecht. Aber hier ein Rockkonzert abhalten? Der Raum ist komplett mit Teppich ausgekleidet, in hellbeige. Interessante Locationwahl. Noch dazu weil es wirklich nur Sitzplätze gibt. Lässt ja eher weniger Gutes auf die Band schließen.

Doch nun nehme ich erst mal meinen Sitzplatz in Augenschein und bin begeistert! Ich sitze in der ersten Reihe, weniger als zwei Meter von Krieger entfernt.  Sehr cool, weil eigentlich hatte ich bisher ja immer die billigsten Karten bekommen. Aber scheinbar bin ich in der Hierarchie aufgestiegen. Very cool. Langsam füllt sich auch der Saal. Das Publikum ist bunt gemischt. Ungefähr die Hälfte dürfte Morrison noch live gesehen haben, der Rest ist ganz klar eine Nachgeburt. Neben mich gesellt sich eine junge Amerikanerin mit Piepsstimme, die ihre Begleitung, ein junges Mädchen aus Polen, ständig bevormundet und maßregelt.  Doch gerade als ich mich darüber ernstlich aufregen will, geht es endlich los.

Krieger und Manzarek „stürmen“ auf die Bühnen. Hm, macht ja nun doch eher den Eindruck eines Seniorenausfluges. Manzarek trägt so eine altertümliche Opa-Strickjacke und ich bezweifle echt, ob das was werden wird. Dann kommt „Morrison“.  Weniger alt als die beiden, aber auch nicht mehr wirklich jung und viel weniger gutaussehend als auf dem Plakat. In seinem Muskelshirt erinnert er mich irgendwie sehr stark an den Exmann von Miss Barbie Jessica Simpson.

Und dann fangen sie an zu spielen, ganz langsam und gemächlich, wie sich das für Senioren so gehört. Nach den ersten vier Songs ist immer noch kaum Bewegung drin , mit Ausnahme des Sängers,  der das mit der Morrison-Nachahmung für meine Begriffe etwas übertreibt. Und mit Ausnahme der Junghippiegruppe, die sich inzwischen im Gang gesammelt hat und scheinbar schon in ganz anderen Sphären schwebt. Die haben sich offensichtlich auch das ein oder andere Tütchen vorher reingezogen. Erstaunlicherweise  versuchen nun immer wieder Fans auf die Bühne zu stürmen, was von der leicht aggressiven Security jedoch verhindert. Manzarek findet das wohl irgendwie schade, offensichtlich findet er die Locationwahl auch etwas doof und animiert die Fans zum Mittanzen. Aus der Sicht der Security ist das wohl der große Fehler, denn in Bruchteilen von Sekunden springt der komplette Saal auf und drängt nach vorne. Ich muss sagen, ich finde das auch echt doof, denn nun habe ich so eine blöde Kuh mit Geiernase und Elefantenhüften vor mit und die Sicht war null. Aufstehen hilft da auch nicht viel, dauernd habe ich ihre Zotteln im Gesicht oder muss um mein Leben fürchten, wenn sie mit ihren Nilpferdlatschen das Tanzen anfängt. Aber immerhin kommt nun endlich Leben in die Sache.

Nachdem wir dann den Weg zur nächsten Whiskeybar gesucht haben, wird es spanisch. Krieger schnappt sich eine Flamencogitarre und legt erst mal ein ausgiebiges Solo hin, dann Spanish Cavana. Nun geht es Schlag auf Schlag, Bei „sexmachine“ lassen nicht nur die beiden Senioren die Hüften kreisen, der Sänger reißt sich spontan das Shirt runter und beglückt die zum Teil auch nicht mehr so ganz taufrischen Damen mit seinem duŕchtainierten Body. Jetzt kann ich auch den ersten Joint riechen, und das obwohl auf dem hellbeigen Teppich doch absolutes Rauchverbot herrschte. Ich versteh es ja immer noch nicht, warum das ganze ausgerechnet hier stattfindet. Nicht mal Bier gab’s. Und so ein Bierchen wäre jetzt ganz angenehm gewesen. Langsam steigt nämlich die Temperatur. Nun wird der Basspieler, der Ray Manzarek & Robby Krieger of The Doors begleitet, in den Vordergrund gestellt. Er jammt ein bisschen mit Krieger. Der ist aber so langsam auch am Ende. Jedes Mal, wenn er zum Bühnenrand kommt, hat man das Gefühl der stirbt gleich.

Da ist es gut, dass sie nun mal eine Pause einlegen und sich von der Bühne verabschieden. Doch was dann passiert, finde ich echt peinlich. Ja schäme mich fremd. Eine Dame so um die 30 fängt nun plötzlich total hysterisch das Kreischen an, die zwei sollen sofort wieder auf die Bühne. In solchen Moment fällt mir dann immer die Zeile aus einem Ärzte-Song ein „Manchmal, aber nur manchmal haben Frauen ein kleines bisschen Haue gern!“. Doch bevor ich nun wirklich handgreiflich werden muss, geht die Zugabe endlich los. Und wie kann es auch anders sein. Das letzte Lied ist „Light my Fire“. Allerdings in einer doch sehr verzerrten Version, wie ich finde. Und ohne großes Tamtam verabschieden sich The Doors, also der Rest, der noch übrig ist.

Gerade will die hysterische Nuss wieder schreien, davor wird sie aber von ihrem Freund raus geschleift. Guter Mann. Nun kommen auch schon die Bühnentechniker und bauen alles ab. Und dann kommt der spannendste Teil des Abends. Es geht um die Setlisten. Natürlich bin ich mal wieder zu langsam, oder eigentlich gesagt zu klein und schmächtig. Denn noch ehe ich mich versehe, werde ich von einigen Typen nach hinten gedrängt und kann mich gerade noch aus der Prügelei retten. So gehe ich dieses Mal leider ohne Souvenir nach Hause, dafür aber mit etlichen Bildern und dem guten Gefühl The Doors so nah gewesen zu sein, wie das eben möglich ist, wenn man der nachgeborenen Generation angehört.

Bildnachweis:
Monika Kindermann

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