Es ist Samstagnachmittag, ein ganz normaler Samstagnachmittag. Doch anstatt faul im Bett zu liegen oder eine der letzten Möglichkeiten zu nutzen, um durch Prag zu spazieren, mache ich mich auf nach Karlín. Gut, mag der werte Pragkenner nun sagen, man könnte ja auch durch Karlín spazieren und in der Tat habe ich das eine Woche zuvor auch gemacht. Doch heute steht mir der Sinn nicht nach ein bisschen Flanieren, heute steht mit der Sinn nach illegalen Sachen. Also scheuche deine Kinder vom PC, werter Leser, bevor du fortfährst.
Nein, ganz so schlimm ist es nun auch nicht, also wenn man es objektiv betrachtet, doch das tun irgendwie die wenigsten Menschen, denen ich bisher erzählt habe, wo ich am Samstag war. Und wenn ich ehrlich bin, dann betrachte ich es auch nicht objektiv, sonst hätte es wohl kaum einer Ermunterung meine Chefredakteure bedurft, dass ich das hier schreibe. Und um ehrlich zu sein, bin ich mir immer noch nicht so ganz sicher, ob das meiner journalistischen Karriere, sofern die überhaupt außerhalb meiner Vorstellung existiert, was ich stark zu bezweifeln wage, auch gut tut. Aber ganz objektiv betrachtet war ich ja nur als Besucher auf einer Messe und habe nichts Verbotenes getan. Gut, es handelte sich dabei um eine Cannabismesse, aber es war die erste europaweit und als gute Journalistin muss ich meinen Lesern doch aus erster Hand berichten, wie es auf Cannabismessen so zugeht. Und da geht es ganz schön zu, aber auf andere Weise, als der verehrte Leser nun vermutlich denkt. Doch fangen wir von vorne an, bevor wir die ganze Spannung verraten.
Es war Freitag und spontan fiel mir morgens wieder ein, dass an diesem Tag ja die Canabizzmesse, wie sich das Event selbst nannte, um den Eindruck von ökonomischer Bedeutsamkeit zu erwecken begann. Anschauen wollte ich mir das ganz schon mal, dass muss ich zugeben. Ich meine, eine Hanfmesse und das absolut legal? Das muss man gesehen haben, auch wenn mein Mitbewohner sein Möglichstes tat mir das auszureden. Ganz viel Polizei, Massenverhaftung und so weiter. Natürlich war nichts davon der Fall. Die Bullen standen zwar zuhauf vor den Thamova-Hallen rum, aber rein hat sich keiner getraut, jedenfalls als ich da war.
Eigentlich wollte ich ja Freitag gehen, so als würdigen Abschluss der Arbeitswoche ein bisschen Gratisgras einatmen, wie ich meinen Ausflug in die Drogenwelt meinem Mitbewohner provozierend beschrieb. Dumm nur, dass für Freitag alle Karten schon restlos ausverkauft waren. Da blieb mir nur Samstag. Und so machte ich mich, viel später als geplant, am Samstag auf zur Metrostation Křižíkova. Während ich mich zwischen all den Langhaaren und Dreadlocken einreiht und mich von ihnen zum Messegelände treiben ließ, stellte ich erstaunt fest, hier war ich schon mal. Und zwar genau eine Woche zuvor, auf der Suche nach alten Fabrikgeländen zum Fotografieren. Und wie hatte ich mich geärgert, dass ich in diese Scheißhallen nicht reinkonnte und nun stand ich ratzfatz drin. Doch ich muss zugeben, was in den Hallen los war, hat mich dann doch etwas von der architektonischen Schönheit abgelenkt.
Kaum hatte ich einen Fuß in die Hallen gesetzt, wäre ich auch beinahe schon totgetrampelt worden. Direkt vor mir wurde nämlich die Gratisposterbox frisch aufgefüllt und alle umstehenden Leute strömten nun auf eben diese zu, um sich ein Hanfblatt in DinA3 zu sichern. Ich stand dummerweise genau zwischen ihnen. Kaum konnte ich mich vor dem Mob retten, da wurde ich von einem Kinderwagen angefahren. Erst war ich ja schon ein bisschen erstaunt, dass Eltern tatsächlich mit ihren Kindern hier rumgurken, doch kurze Zeit später stellte ich fest, dass neben dem typischen Kiffertypen, auch jede Menge unerwartetes Gästepotential in den Messebesuchern schlummerte. Da wäre zum Beispiel die alte Oma, die mindesten drei Kugeln Hanfeis mit solch einem Genuss verputzte, wie ich selten Menschen Eis essen sah. Oder den Typen von der Literaturzeitung A2, der sich ausgerechnet eine Hanfmesse ausgesucht hatte, um Gratisproben seiner intellektuell so hochwertigen Zeitung anzupreisen. Die Tatsache, dass das Titelblatt Knallorgane waren, zeigte allerdings wirklich Wirkung auf einige Messebesucher, die der Betrachtung dieser einmaligen Farbkomposition einiges an Zeit widmeten. Oder das Pärchen, was den Kinderwagen als Lageraum für die erbeuteten Stücke nutzte. Dass unter all dem Kram irgendwo noch ein Kind lag, erschien etwas nebensächlich.
Auch ich hatte mittlerweile etliche Sachen in die Hand gedrückt bekommen und inzwischen eine ordentliche Auswahl an Düngemittel,- Bewässerungs,- und Belichtungsanlagenkatalogen, nebst Millionen von Papers, Filtern und Postern, sowie geschlagenen fünf Ausgaben der Reflex, die hier mal wieder ihre Pro-Marihuana- Einstellung zur Schau trug und hoffte, neue Leser zu gewinnen. Nachdem mir der ganze Kram schon dreimal aus der Hand gefallen war und ich jedes Mal beim Umdrehen die hinter mir stehenden Menschen halb erschlug, beschloss ich, mir nun eine Tüte, also eine Plastiktüte für all den Kram zu besorgen.Da ich mir nun nicht ein paar Hanfsamen besorgen wollte, keinen Bedarf an doppelt hydrogenisierter Erde hatte und auch kein Röstgerät für Gras brauchte, was im übrigen wohl der neueste Trend ist, stellte ich mich mal an der langen Schlange an, an dessen Ende allen eine große Tüte, also eine Plastiktüte in die Hand gedrückt wurde und die Menschen mit verzücktem Gesicht von dannen zogen. Ich dachte schon Wunder was da wohl enthalten sein mag, doch wie sich herausstellt, war es weder Marihuana, noch sonst irgendwas Verbotenes, sondern simpler Pflanzendünger. Jaja, worüber sich die Menschen freuen. Aber immerhin hatte ich nun eine Tüte für all meine Gratisproben.
Ich schlenderte nun noch ein bisschen weiter, ließ mich gefühlte 20 mal über Luftbefeuchter aufklären, begegnet noch mehr steinalten Menschen, ließ mich auf ein Bierchen in der Lounge nieder und auf eine Zigarette auf einem Sitzsack, ergatterte ein lila Gratisshirt von Royal Queen Seed, was ich nun als Nachthemd nutze und machte mich dann so langsam wieder von dannen.
Fazit: 1. Marihuanaanbau scheint verdammt kompliziert zu sein, wenn man dafür all diese sündhaft teuren Hilfsmittel braucht. 2. Auf der Messe war viel weniger Illegales los, als ich das in meiner Vorstellung erwartete hatte. 3. Wusste gar nicht, dass so viele Menschen über 50 noch auf Gras stehen.
Insgesamt eine ganz spannende Erfahrung, auch wenn das Ganze mit all den Bewässerungs- und Beleuchtungssystemen, der Spezial-Erde und den Krimskram mehr einer Gartenbauausstellung glich, denn der ersten internationalen Hanfmesse.