Mittwoch wache ich dann erst mal mit einem etwas dicken Kopf auf. Offensichtlich war eines der Biere gestern schlecht! Doch für Wehwehchen habe ich nun keine Zeit. Zeit ist in Prag für mich im Moment Mangelware, daher gilt es, jede Minute auszukosten und deshalb bin ich nun mit meinem alten Tandempartner zum Frühstück verabredet. Natürlich wieder mal an anderen Ende der Stadt. Aber so komme ich wenigsten mal wieder nach Hause ins Anděl. Nach einem erneuten kurzen Plausch mit der Schlüsseldame, die ich leider immer nur für fünf Minuten pro Tage sehe, nämlich, wenn sie kommt und ich gehe, oder umgekehrt, und dem nicht sehr erfolgreichen Versuch, meine Augenringe zu überschminken, laufe ich auch schon wieder aus dem Haus.
Ab in die Tram und genau 28 Minuten den Blick auf Prag genießen. Ich persönlich finde ja, dass ist eine der wunderbarsten Sachen, die man in Prag machen kann, sich einfach in die Tram oder 'nen Bus setzten und stundenlang durch die Gegend tuckern, während man die Stadt mit all ihren Facetten sehen kann. Und das Ganze ist auch noch völlig entspannt. Man muss sich nicht an 1 Million Touristen auf der Karlsbrücke vorbei drängeln und 'ne halbe Stunde warten, bis die beliebten Fotoplätze frei sind und man endlich ein Foto von sich, der Burg und 30 Fremden, die genau das auch vorhaben, machen kann. Aber ich fahr ja im Moment nicht zum Vergnügen durch die Gegend, sondern habe ein klares Ziel, und das erreiche ich gerade eben. Raus aus der Tram, den zwei aufdringlichen O2-Anwerbern großräumig aus dem Weg gehen und warten.
Wie immer kommt mein Tandempartner zu spät. Ich mach derweil mal ein paar Bilder, es gibt bestimmt eine Perspektive, die ich in den 10.000, die ich in meinem Jahr in Prag gemacht habe, noch nicht geknipst habe und falls nicht, dann hab ich eben ein paar doppelt. Kurz bevor dann der Akku der Kamera seinen Geist aufgibt, kommt mein Tandempartner dann auch aus der Metro gekrabbelt. Sieht noch verdammt verschlafen aus, genauso wie ich mich fühle. Nun gehen wir in eines der nahegelegenen Cafes zum Frühstück. Wobei, ich begnüge mich lieber mit einer Cola, für feste Nahrung ist mein Magen noch nicht in der Stimmung. Oh, und jetzt auch noch Tschechisch reden. Ne ganz schöne Herausforderung nach fast einem halben Jahr und ganz ohne Bier. Aber nach einer halben Stunden hat sich dann mein Gehirn auch umgestellt und es klappt gut. Nach einem schier endlosen Gespräch, kann ich meinen Tandempartner dann davon überzeugen, mit mir in mein heißgeliebtes Stadion zu gehen und ein paar Fotos zu knipsen, wo doch heute das Wetter so schön ist und wer weiß, wie lange das gute Stück noch steht. Also machen wir uns auf, mit dem Bus den Hügel hinauf. Wow, all diese Kurven, dabei hatte ich doch gerade vergessen, dass mir schlecht ist.
Endlich kommen wir oben an. Ich bin voller Vorfreude, als wir rein marschieren. Doch kaum sind wir auf der Tribüne angekommen und ich habe die ersten drei, vier Fotos gemacht, höre ich plötzlich lautes unverständliches Schreien. Als ich mich zu meinem Tandempartner umdrehe, gibt er mir zu verstehen, dass sei der Hausmeister, der uns rausschmeiße. Na toll, denke ich mir, gerade heute, wo das Wetter so geil ist und man so geile Bilder machen könnte. Da der Hausmeister kurz vorm Platzen zu stehen scheint, machen wir uns auf. Doch anstelle einfach zu gehen und die Sache auf sich beruhen zu lassen, latscht mein Tandempartner geradewegs auf den inzwischen rot angelaufenen Mann zu und fängt mit ihm eine Diskussion an. Ich sehe es schon kommen, gleich ruft einer von den beiden die Polizei, entweder der Hausmeister wegen Hausfriedensbruch, denn wie er zum wiederholten Mal schreit, ist das hier Privatbesitz, was ich nicht wusste. Oder aber mein Tandempartner, weil er den Hausmeister wegen Beleidigung anzeigen will. Gerade kann ich meinem Tandempartner noch wegziehen. Kaum sind wir dann draußen, entdecke ich auch wirklich das Privatbesitzschild. Muss neu sein, habe ich vorher noch nie da gesehen.
Ich ärgere mich zwar gewaltig ob der mir entgangen Fotos, aber was soll’s. Da das Wetter so schön ist, werde ich nun auf einen Spaziergang durch den Petřín geschleppt. Wie in den guten alten Zeiten von Matěj. Den soll ich später ja auch noch treffen. Ach, so viele Termine heute. Kaum sind wir mit einer Horde laut grölender Italiener mit der Seilbahn den Berg runter gefahren, haben uns an 1 Million Touristen auf der Karlsbrücke vorbei gedrängt und dem Václavák noch einen Besuch abgestattet, dann müssen wir uns auch schon wieder trennen, der nächste Mann wartet auf mich. Doch bevor ich in Richtung Cafe Louvre laufen darf, wo Friedrich bestimmt schon ungeduldig auf mich warte, nötig mir mein Tandempartner noch das Versprechen ab, uns noch mal zu sehen, bevor ich wieder nach Muc fahre. Hähä, wann denn guter Mann? Ale dobře, ich versuche es. So, nun laufe ich mal wieder, diesmal einem wunderschönen Sonnenuntergang auf der Dlouhá entgegen. Schnell noch geknipst und dann drückt mich auch schon Friedrich in seine Arme. Als wir die Treppen ins Café hochsteigen fühle ich mich wieder wie damals, als ich hier das erste Treffen mit einem meiner Chefredakteure von Tschechien Online hatte und noch ganz grün hinter den Ohren war. Matěj hatte mich damals vorm Cafe abgesetzt und mir, bevor ich reingehen durfte, 20 mal eingebläut, wie ich den Weg zurück zur Wohnung finden würde. Waren das Zeiten! Kaum haben wir bestellt, plappert Friedrich wild drauflos, über die Unmöglichkeit der tschechischen Politik, die rechtsradikalen Äußerungen von Klaus und die Scham, die Guttenberg über uns alle gebracht hat. Und als hätten wir am Montag in der Botschaft nicht schon endlos geschnattert, geht es nun weiter. Beinahe vergesse ich die Zeit und dann wäre ich doch glatt zu spät zum nächsten Treffen gekommen, und das ist mit Matěj, der Unpünktlichkeit ja besonders dick hat. Friedrich, ganz Gentleman lädt mich ein und schon stehen wir wieder auf der Straße, verabschieden uns überschwänglich und ich laufe wieder los.
Und dann bin ich trotz aller widrigen Umstände pünktlich vor der KFC am Anděl, zücke mein Handy und sehe, Matěj hat geschrieben, er kommt 30 Minuten später. Herrlich. Doch bevor ich mich nun aufrege, nutze ich die Zeit für einen Bummel durch den Tesco. Dort entdecke ich dann ein paar total geile Leopardenhausschuhe für unsagbar günstige 100 Kronen. Matěj wird mir dann gleich erzählen, dass das rausgeschmissenes Geld ist, aber ich freu mich. Wieder eine Pragerinnerung für meinen tristen Münchner Alltag. Nachdem ich mich durch die ewig lange Schlange gewurschtelt und bezahlt habe, sind dann auch 30 Minuten um und Monsieur steht vor dem KFC. Anstelle einer erwarten überschwänglichen Begrüßung wie letztes Mal, erfolgt ein lustloser Drücker, eine Diskussion, ob ich denn bereit wäre mit ihm noch schnell zu Friseur zu gehen und dann noch eine Diskussion wohin wir zum Essen gehen, weil das von ihm ausgewählte rauchfreie Lokal für heute bereits ausgebucht ist. Letztlich landen wir ohne neuem Haarschnitt in der nächsten Kneipen, wo wir beide beinahe am Tisch einschlafen vor lauter Müdigkeit. Entsprechend schleppend ist auch die Unterhaltung.
Doch ich muss auch schon wieder weiter, heim, mich umziehen und eigentlich wollte ich mich um 10 mit der Fotoschnecke treffen. Dumm nur, dass es schon 9 ist. Also verabschiede ich mich ein bisschen wehmütig und laufe weiter. Als ich dann total abgehetzt um 23.15 Uhr und nach verschobenem Treffzeitpunkt auch nur 15 Minuten zu spät an der Národní trída aus der Tram plumpse, piept es in meiner Tasche. Die Fotoschnecke mit einer Verspätung von min. 30 Minuten. Klasse, da kommen wir dann genau richtig um Mitternacht ins Vagon zur Videorockothek, die heute doch auch tatsächlich stattfindet. Dreieinhalb Stunden später verlassen wir dann das Vagon wieder und das obwohl wir 'nen ruhigen Abend machen wollten. Tja, die Wiederbelebung der Vergangenheit fordert eben Opfer.