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| | Studium | 8.2.2010

Almost Halbzeit

Eine kleine Rückschau

Na, nun bin ich doch schon ein ganzes Weilchen in wunderschönen Prag, um genau zu sein vier Monate und ein paar Tage. Lange genug jedenfalls, um mal eine kleine Rückschau zu wagen, auf alles, was in der Zeit so alles passiert ist und um daraus zu schlussfolgern, was ich noch alles unbedingt machen sollte, bevor ich mich Ende September vermutlich wieder nach Deutschland bewegen muss. Es sei denn, ich bestehe den Eignungstest an der Uni und kann hier meinen Abschluss machen. Doch ob dafür mein Tschechisch gut genug ist, wage ich immer noch zu bezweifeln. Naja, der nächste Sprachkurs beginnt ja bald. Und mein Mitbewohner spricht nun auch ganz fleißig und sehr geduldig mit mir Tschechisch.

Aber ich wollte ja zurückblicken, was so alles passiert ist seit Oktober. Da stand ich also am 28. September in der Nacht in einer fremden, leeren Wohnung in einer fast fremden Stadt. Was zunächst folgte, war ein Einkaufmarathon im allseits bekannten schwedischen Möbelhaus. Und kaum waren Bett, Schrank und Schreibtisch im Zimmer, begann ich auch schon mich heimisch zu fühlen. Dann kam ein Irrweg durch die Uni-Institutionen: Průkaz oder doch carta? Wie registriere ich mich wo für welche Kurse? Und viel wichtiger, wie finde ich überhaupt raus wann und wo die stattfinden? Wo lade ich die Kopierkarte auf? Welcher Kaffeeautomat ist zu empfehlen und wo zum Teufel ist die Celetná? Das erste Semester ist ja nun so gut wie rum, und ich muss sagen, bisher habe ich mich ganz gut geschlagen. Gut bis auf die Schlappe, dass ich einfach partout keine ISIC Karte erhalten habe, nur weil ich keine Erasmusstudentin bin. Doch die Kurse waren zumeist sehr interessant, von dem ein oder anderen Prof bin ich sehr angetan und plane schon fest, nach dem Abschluss in Deutschland hier meinen Doktor zu machen. Und die Celetná ulice habe ich inzwischen auch gefunden.

Gut, da hatte ich also nun eine schöne Wohnung und eine vollen Stundenplan. Was fehlt einem da noch um glücklich zu sein? Genau; Freunde mit denen man das Glück auch teilen kann. Da ich ja in einer Privatwohnung residiere, war es am Anfang gar nicht so leicht für mich, mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen, da man ja nicht Tür an Tür lebt und sich allmorgendlich in der Dusche oder auf dem Weg zum Kühlschrank über den Weg läuft. Deshalb machte ich mich mal auf zu den viel umworbenen Erasmus-Parties. Naja ganz so mein Fall war und ist das ja immer noch nicht. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass mein Musikgeschmack dem Mainstream-Pop nicht so ganz entspricht und ich doch hier bin, um mein Tschechisch zu verbessern und nicht mein Englisch, Französisch oder Spanisch. Jedenfalls war es für den Anfang nicht das Schlechteste mit anderen Austauschstudenten in Kontakt zu kommen, auch wenn zunächst nur mit Maschinenbauern.

Naja so langsam war dann zumindest tagsüber mit Uni, Sprachkurs, Kochen, Waschen und Putzen doch so etwas wie ein Rhythmus eingekehrt. Zeit, sich mal dem Nachtleben zu widmen. Da hat man in Prag ja eine unendliche Auswahl an Lokalitäten und Events und somit würde ich auch nicht im Mindesten zu behaupten wagen, dass ich da mehr als einen ersten Einblick besitze. Aber ich bin ja noch ein bisschen hier und hab noch genug Nächste, diesen zu erweitern. Meine persönlichen Highlights waren bisher: Rockklub Vagon, Disko Futurum, Konzerte im Akropolis, ein Bierchen im Shadow; gut, für ein Bierchen gibt’s hier viele gute Plätze muss ich zugeben und es wäre müßig nun alle guten Kneipen und Bars aufzuzählen.

Was habe ich sonst noch gemacht? Diverse Ausflüge in Foto- oder Kunstausstellungen, ich habe das Langweil Model von Prag gesehen, bin auf den Turm des alten Rathauses geklettert und dabei fast erfroren, war diverse Male auf dem Eiffelturm iauf dem Petřín und habe Prag im Herbst und Winter, bei Sonne und Schnee, von oben beäugt. Ich habe Jupiter im Planetarium bestaunt, mich verliebt, mir das Herz brechen lassen, habe den Eishockeystar Dominik Hašek live gesehen, ebenso den Musikgott David Koller. Ich war bei Divokej Bill, Jasná Paká und Hudba Praha, habe mich an der ausgeprägten Revival-Band-Szene erfreut. Mich daran gewöhnt, dass die Welt hier doch noch einen Tick weniger emanzipiert ist und die Männer nicht nur immer bezahlen, sondern mir auch die Tasche tragen wollen und mich bis vor die Haustür begleiten. Ich ließ und lasse mich jedes Mal wenn ich in die Nationalbibliothek gehe, diskriminieren, weil ich als Ausländer keine Bücher ausleihen darf. Habe das größte Stadion der Welt erkundet, gelernt mich auch ohne Stadtplan nicht allzu sehr in Prag zu verlaufen. Habe aufgehört mich zu wundern, warum es in jedem noch so kleinen Laden einen Sicherheitsmann gibt und mich daran gewöhnt, dass die Rolltreppen hier in einem Affenzahn rasen und man in öffentlichen Verkehrsmitteln einfach die Klappe halten sollte, wenn man nicht sofort und für alle merkbar als Ausländer ausfallen will. Ich hatte inzwischen fünf Mal Besuch hier und könnte mich inzwischen gut als Reiseführerin verdingen.

So damit bleibt für die Zeit bis September noch folgendes zu tun:
Die Plastic People of the Universe zu sehen, endlich mal tschechisches Fernsehen zu gucken, mit Highheels über das Katzenkopfplaster staksen zu lernen, meine neue rockabily, vintage Lederjacke auszuführen, mir im Schlussverkauf noch wasserdichte Winterschuhe zu kaufen. Herauszufinden, ob ich in der Apotheke Salbeitee bekomme, zu lernen wie ich dem Fleischer meines Vertrauens auch ohne Hände und Füße vermittle, was für eine Art von Fleisch ich will. Ins Nationalmuseum zu gehen, um das Walskelett zu bestaunen. Das oder besser die, es gibt nämlich zwei, Schokoladenmuseen aufsuchen und sich mit Köstlichkeiten vollzuschlagen bis man nicht mehr kann. Prags Katakomben zu erforschen. Nicht zu vergessen, dass Kiss-Konzert. Und maybe das Sonisphere Festival, wo ich mit Metalgrößen wie Metallica, Slayer und Anthrax in meine Geburtstag reinfeiern würde. Und wenn das Wetter endlich mal wieder besser ist, natürlich tausendundeinen Städtetrip machen. Nach Brünn ins Kapuzinerkloster zu den aufgebahrten toten Mönchen, nach Ostrava auf alte Fabrikgelände und in die größte Partymeile Mitteleuropas, nach Kutná Hora in die Knochenkirche und natürlich nach Bratislava einen guten Freund besuchen. Und noch vieles mehr. So wie ich das sehe, habe ich auch in der nächsten Zeit noch genug zu tun und genug worüber ich berichten kann.

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