Lorenzo Stecchetti: „Wenn die Blätter fallen, wirst du zum Kirchhof kommen, mein Kreuz zu suchen. In einer kleinen Ecke wirst du es finden. Und dort werden viele Blumen wachsen."
Nicht so bei den deutschen Verstorbenen auf dem Friedhof in Friedland in Böhmen.
Auf dem 1878 errichteten Friedhof in Friedland wurde eine weitere, die vorletzte, große deutsche Gruft abgerissen. Die Totengräber der deutschen Kultur haben hier Hochkonjunktur. Nachdem die Gruft der Familie Karl Löffler aus Friedland, Haus-Nr. 26, dem Erdboden gleichgemacht wurde, kam jetzt die Gruft der Familie des Gastronomen Josef Gastring an die Reihe. In der Gruft befinden sich zwei Grabkammern, die die Särge von drei Erwachsenen und fünf Kindern beherbergten. Bestattet wurden hier Josef Gastring, Marie Gastring/Hampel, Amalia Gastring/Mater und die Kinder Marie, Emma, Eduard, Albert und Franziska. Jetzt ist in dem ausgemauerten Grab nur ein aus Blech gefertigter Sargdeckel übriggeblieben. Wohin die Überreste der Verstorbenen gekommen sind, ist nicht bekannt. Von den drei historischen Gruften aus der deutschen Vergangenheit ist jetzt nur die Gruft der Familie Anton Dreßler übrig geblieben.
Dass die Gruft renoviert werden würde, sagte mir der Bürgermeister Dan Ramzer (ODS) im November 2016 offenbar nur aus Spaß. Am 12. Juli teilte er mir nun mit, dass er mich falsch informiert habe. Auch diese Gruft soll abgerissen werden. Was die Bolschewisten und ihre Helfershelfer nicht zerstört haben, das wird jetzt - 72 Jahre nach Wiedererrichtung der ČSSR - von ihren Nachfolgern, in diesem Fall der Friedländer Demokratischen Bürgerpartei (ODS) mit Dan Ramzer an der Spitze, liquidiert.
Auf meine Frage, wann und ob die zwei letzten deutschen Gruften auf dem Friedhof in Friedland in Böhmen renoviert würden, bekam ich bereits am 8. Oktober 2015 von Vera Sobotovä von der Abteilung Denkmalschutz im Rathaus eine „ehrliche" Antwort: „Wir haben im Rathaus keine geeigneten Leute, die sich dafür interessieren. Gründen Sie eine Bürgerinitiative und besorgen Sie selbst das Geld für die Renovierung der Gruften."
Das lässt nicht gerade den Willen erkennen, die Vorurteile abzubauen - ganz im Gegenteil.
Sobotovás Antwort hat mich eigentlich nicht überrascht. Seit Jahren ändert sich in dieser Hinsicht nichts. Über den Zustand der Gräber und Gruften berichtete ich schon mehrmals. Die bemerkenswerte deutsche Kultur ist weitgehend zerstört. Da ist jedes Bemühen zwecklos. Vielerorts werden die Gräber der Deutschen von der Stadt gepflegt, zum Beispiel in Gablonz. Da werden sogar die Gräber der deutschen Bürgermeister mit Blumen geschmückt. Das ist in Friedland undenkbar. Die Stadt Friedland in Böhmen mit Bürgermeister Dan Ramzer eine krasse Ausnahme.
Am 7. Dezember 2016 besuchte ich Dan Ramzer im Rathaus und fragte, was mit der Dreßler-Gruft geschehe. Von den drei historischen Gruften aus der deutschen Vergangenheit sei nur die Gruft der Familie Anton Dreßler übrig geblieben.
Anton Dreßler sei der berühmte Erbauer des Friedländer Aussichtsturmes gewesen. Diesen Aussichtsturm am Resselsberg rühme die Stadt als eine Sehenswürdigkeit. Für den Zustand der Anton-Dreßler-Gruft auf dem Friedhof interessiere sich dagegen keiner. Daraufhin bekam Dan Ramzer einen Wutanfall und entlud eine nicht enden wollende Schimpfkanonade gegen mich. Am nächsten Tag entschuldigte sich der 20 Jahre jüngere Dan Ramzer schriftlich bei mir.
Schon 2014 war mir im Rathaus bestätigt worden, dass alle deutschen Gruften abgerissen werden. Dan Ramzer „regiert" seit 2007 in Friedland. Jetzt werden auch die Gruften an der Friedhofswand verkauft.
Was nicht vernichtet wurde, und man verkaufen kann, das wird verkauft. So wurde auch die historische Gruft der namhaften Familie Karl Czoernig von Tschernhausen auf dem Friedländer Friedhof zu Geld gemacht. Die Gruft wurde ausgeräumt und verkauft. Nicht einmal bei dieser so bedeutenden Familie wurde eine Ausnahme gemacht. Als ich den Bürgermeister Dan Ramzer im Juli 2017 darauf ansprach, sagte er: „Davon ist mir nichts bekannt."
Zu der Familie gehört Karl Czoernig Freiherr von Czernhausen. Er kam am 5. Mai 1804 in Tschernhausen im damaligen Bezirk Friedland zur Welt und starb am 5. Oktober 1889 in der österreichischen Stadt Görz, die 1918 von Italien annektiert wurde. Er war Statistiker und Begründer der neuen österreichischen Verwaltungsstatistik. Er studierte in Prag und Wien, trat 1828 in den Staatsdienst in Triest und Mailand ein und wurde 1841 Leiter des Statistischen Büros in Wien.
Czoernig förderte die Donaudampfschifffahrt, reorganisierte die Handelsmarine und das Eisenbahnwesen, war 1859 bis 1865 Präsident der Statistischen Verwaltungskommission und leitete 1852 bis 1863 auch die Centralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. Seine zahlreichen Schriften zeugen von umfassenden Kenntnissen und fanden allseitigen Beifall. Während eines längeren Besuches in Reichenberg gab Czoernig im Jahr 1829 eine topografisch-historisch- statistische Beschreibung von Reichenberg heraus.
Sein Sohn Karl Freiherr von Czoernig, geboren am 24. September 1839 in Mailand, starb am 20. September 1893 als Finanzlandesdirektor in Innsbruck.
1885 verfasste er in Triest „Die ethnologischen Verhältnisse des österreichischen Küstenlandes".
Zur Familie gehörte auch der promovierte Jurist Karl Czoernig, geboren 1840 in Tschernhausen. Der Rechtsanwalt, Wohltäter und Naturfreund starb 1902 in Reichenberg. Er hinterließ mehreren gemeinnützigen Anstalten und Vereinen ein großes Erbe. Im Reichenberger Rathaus befand sich eine Gedenktafel.
Nach dem Verkauf wurde an der Gruft ein neues Namensschild angebracht. Die zwei schönen schmiedeeisernen Blumentöpfe sind verschwunden. Heute gehört die historische deutsche Gruft der tschechischen Familie Mazurková.