Die Stadt Reichenberg richtet ihr eigenes Bestattungsunternehmen ein. Beerdigungen werden zu einem Preis angeboten, der zu den niedrigsten in der Republik gehört. Der neue städtische Bestattungsdienst wurde im Juli 2018 in Betrieb genommen. Wegen der günstigen Preise nutzen auch immer mehr Deutsche die Krematorien in der Tschechischen Republik.
Eine komplette Feuerbestattung mit Überführung und Übernahme des Verstorbenen, Bereitstellung von Särgen nach Katalog, musikalische Ausgestaltung der Feier, Gestaltung der Trauerfeier, Blumendekoration im Aufbahrungsraum und Trauerredner kostet umgerechnet rund 620 Euro.
Die Stadt Reichenberg begann, sich mit der Feuerbestattung zu befassen, da der Vertrag mit dem Betreiber des Krematoriums, dem privaten Bestattungsdienst Likrem, am 30. Juni auslief. Laut Miteigentümer Jan Bartoš wird die Bestattungsfirma Likrem das nächste Jahr aufhören zu existieren.
Zwei neue Bestattungsdienste sollen gegründet werden. „Bestattung war in der Ersten Republik ein typisches Familiengewerbe, und nirgendwo im Lande wurde es von der Stadt betrieben. Reichenberg übernahm jetzt die Bestattung; als nächste kommen wahrscheinlich die Frisöre an die Reihe. Ich verstehe nicht, warum die Stadt das tut", sagte Bartoš. „Es ist im Grunde eine kontrollierte Liquidierung von Privatunternehmen", sagt die Konkurrenz.
Die Stadt wolle nicht privaten Unternehmen konkurrieren, betonte David Novotný von der Stadtverwaltung. „Wir werden uns nur auf eine Art Beerdigung spezialisieren." Die Stadt übernahm am 30. Juni das Krematorium auf dem Monstranzberg von dem letzten privaten Pächter in einem sehr schlechten Zustand. Um den Betrieb des Krematoriums nicht unterbrechen zu müssen, mußte die Stadt die Räumlichkeiten in schlechtem Zustand beziehen.
Ab Anfang Juli laufen in dem verkommenen Gebäude die notwendigen Reparaturen und baulichen Erneuerungen. In den ersten zwei Wochen hat die Stadt Reichenberg in dem Krematorium gleichzeitig zehn Beerdigungen durchgeführt. Gegenwärtig läuft die Reparatur der Kühlanlage einschließlich des Maschinenraums und der administrativen und sozialen Einrichtungen des Krematoriums. Bis spätestens August sollten die Arbeiten abgeschlossen sein.
In Zukunft wird es möglich sein, alle Angelegenheiten, die die Reichenberger Friedhöfe, Erdbestattung und die Feuerbestattung - mit Ausnahme des Friedhofs in Maffersdorf - betreffen, in dem Gebäude, das jetzt renoviert wird, vorzunehmen. Auch wird es möglich sein, vor dem Krematorium in Reichenberg kostenlos zu parken. Die Geschichte der Feuerbestattung beginnt in Böhmen mit Niederlassungen des 1885 in Wien gegründeten Vereines Die Flamme. Es war der erste Kremationsverein, der die Feuerbestattung in Österreich-Ungarn propagierte. Er initiierte die Gründung der Tschechischen Gesellschaft für Feuerbestattung, mit der er seit 1900 aktiv zusammenarbeitet.
Vor dem Bau des Krematoriums waren die Bürger der Tschechoslowakei in Reichenberg an ausländische Krematorien verwiesen worden. Oft nutzte man damals das älteste Krematorium im deutschsprachigen Raum, das Julius Bertuch und Carl Heinrich Stier 1878 auf dem Gothaer Hauptfriedhof erbaut hatten, dann Chemnitz, Zittau und später auch Dresden. Am 13. Dezember 1913 erfolgte ein Wettbewerb für die Entwürfe für ein Krematorium in Reichenberg.
Die Frist für die Abgabe der architektonischen Vorschläge im Stadtbauamt war auf Mitte Februar 1914 festgesetzt. Die Kommission zur Prüfung und Beurteilung der eingereichten Vorschläge bestand aus Stadtrat Ferdinand Felgenhauer, Professor Paul Zehe, dem amtlich zugelassenen Architekten Oskar Fürstenau, dem Leiter der Abteilung Hochbau, Josef Schuda, und dem Präsidenten des Vereines „Die Flamme" in Wien, Oskar Schideke. Eingereicht wurden 31 Entwürfe. Beteiligt hatten sich unter anderem die Architekten Hans Glaser, Karl Scheffel aus Wien und das Reichenberger Architektenduo Max Kühn und Heinrich Fanta.
Der erste Preis wurde nicht vergeben, da keines der eingereichten Projekte den örtlichen Bedingungen entsprach. Der zweite Preis wurde an die Reichenberger Architekten vergeben: an „Flamme" des Baumeisters Ferdinand Scholz und des Architekten Rudolf Scholz und an das Projekt „Pax" von Josef Schida. Den dritten Preis erhielt der Architekt Rudolf Bitzan für sein Projekt „Feuerburg". Die Reichenberger Nebenstelle des Vereines „Die Flamme" entschied sich schließlich für das Projekt von Rudolf Bitzan, der seinen Entwurf jedoch ändern mußte. Kompliziert war die Suche nach einem geeigneten Grundstück für das neue Krematorium.
Einige Plätze im Isergebirge wurden genannt, zum Beispiel die Königshöhe. Gesprochen wurde sogar vom Jeschken. Die Stadtvertretung wählte schließlich den Bauplatz am Monstranzberg. Auf dem ausreichend großen Gelände wurde später auch ein Urnenhain errichtet.
Das Krematorium wurde von 1915 bis 1917 von der bis 1945 bedeutendsten Baufirma in Reichenberg, Gustav Sachers & Söhne, nach dem Plänen des Dresdener Architekten Rudolf Bitzan (*18. Mai 1872 in Wartenberg am Rollberg im späteren Kreis Deutsch Gabel - †2. November 1938 in Dresden) gebaut. Reichenberg baute auf dem Boden der damaligen Österreich-Ungarischen Monarchie das erste Krematorium.
Der Grundstein wurde am 4. Mai 1915 gelegt. Das neue Gebäude wurde am 30. Oktober 1918 der Öffentlichkeit übergeben. Ein Tag später erfolgte die erste Feuerbestattung. Uber dem Eingangsportal stand damals der Text des Dichters Anton August Naaff (*28. November 1850 in Weitentrebetitsch im späteren Kreis Podersam - †27. Dezember 1918 in Wien): „Reines, urgöttliches, herrliches Feuer, nimm in die Arme den erdmüden Leib".
Heute findet man an derselben Stelle die tschechische Übersetzung „Čistý, božský, nádherný ohni, přijmi ve svou náruč zemdlené tělo". Auf beiden Seiten des Haupteingangs stehen zwei riesige Statuen aus Sandstein, die die Treppe, die zu dem Eingang in die Halle hinaufführt, bewachen. Die Wächterstatuen stammen von dem Bildhauer Alois Rieber (*16.01.1876 - †12.04.1944).
Beide halten große Schilde in den Händen, auf denen in vier Kreisen die Symbole Eule, Schlange, Löwe und Adler zu sehen sind, die den Schlaf, die Wiedergeburt, Tapferkeit und Kraft darstellen.
Ähnliche oder gleiche Bauelemente wie in Reichenberg finden wir auch auf dem älteren Dresdener Krematorium von Fritz Schumacher. Der Architekt Rudolf Bitzan war einer der bedeutendsten Gestalter des geometrischen Jugendstils und der frühen Moderne. Er kam aus Nordböhmen und verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Reichenberg, wo sein Vater als Lehrer tätig war. Nach dem Studium an der dortigen Industrieschule setzte er sein Studium in München fort.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließ er sich in Dresden nieder, wo er im berühmten Studio des Dresdener Architekten William Lossow arbeitete. Hier beteiligte er sich unter anderem an der Vorbereitung des Projekts des Leipziger Hauptbahnhofs. In Sachsen - Dresden, Görlitz und Freital - und besonders in Nordböhmen -Teplitz-Schönau, Aussig, Tetschen-Bodenbach, Haida, Friedland, Reichenberg und Lomnitz an der Popelka - finden wir noch heute seine Bauwerke.
Bemerkenswert waren Bitzans Verbindungen nach Reichenberg und Friedland, die wahrscheinlich mit seiner bereits erwähnten Studienzeit an der staatlichen Industrieschule in Reichenberg und auch mit der Heirat der Tochter des Friedländer Bürgermeisters Anton Aigner zusammenhängen.
Das erste bedeutende Gebäude, das in der Umgebung von Reichenberg im Bitzan-Stil mit strengen Fassaden und nüchternem Dekor erbaut wurde, war die Glücksvilla in Friedland. Seine frühe Verwirklichung in Reichenberg war die Innenausstattung der Weinstube Postillion unter dem berühmten Cafe Post. 1911 und 1912 entwarf er auch die zwei großen Villen Haus Möldner und Haus Goltz, die noch heute vor der Turnhalle in der Gablonzer Straße stehen. Das Reichenberger Krematorium ist das einzige Bitzan-Gebäude dieser Art. Es sollte 1924 als Muster für das Projekt des letztlich nicht realisierten Krematoriums in der neu gegründeten Stadt Freital in Sachsen dienen.
Nach den ersten Rechnungen des Stadtrats sollte der Bau im Frühjahr 1913 beginnen. Die auf 120 000 bis 140 000 Kronen geschätzten Kosten bezahlte größ-tenteils der Verein „Die Flamme" in Wien. Die Stadt beteiligte sich am Bau des Krematoriums mit 20 000 Kronen. Die tatsächlichen Kosten kletterten mit der Zeit al-lerdings auf 180 633 Kronen und 85 Heller. Dank des Vereins „Die Flamme" wurde das erste Krematorium in Böhmen - in Reichenberg - zwischen 1915 und 1917 gebaut. Nach der Fertigstellung versiegelten die Behörden das Krematorium.
Die erste Einäscherung fand erst nach dem Zusammenbruch der Monarchie, am 31. Oktober 1918 statt. Nach 1918 gab es in der Tschechoslowakei nur ein einziges Krematorium, und zwar das in Reichenberg. Hier wurden 1919 670 Kremationen (Einäscherungen) vorgenommen. Im Jahr 1921 begann das Prager Krematorium zu funktionieren, wo 117 Kremationen durchgeführt wurden, während in Reichenberg 652 Kremationen erfolgten. Im Jahr 1922 weist Prag 1410 und Reichenberg 423 Kremationen aus, im Jahr 1923 1657 und 334.
Im selben Jahr entsteht ein neues Krematorium in Pardubitz mit 52 Kremationen, im Jahr 1924 weist Prag 1671, Reichenberg 388, Pardubitz 302 und die zwei neuen Krematorien in Brüx und Nimburg/Neuenburg an der Elbe 101 beziehungsweise 21 Kremationen aus.
Im Jahr 1925 wurde ein Krematorium in Mährisch Ostrau mit 206 Kremationen errichtet. Prag weist 1925 1788, Pardubitz 320, Reichenberg 409, Brüx 248, Nimburg 63 Kremationen aus. Im selben Jahr wurde in Budweis ein Krematorium errichtet mit 41 Kremationen. Bis Mai 1926 wurden in Prag 817, in Pardubitz 165, in Mährisch Ostrau 110, in Nimburg 35 und in Reichenberg 142 Kremationen durchgeführt. Auf dem Pilsener Zentralfriedhof wurde Anfang 1926 der Bau eines Krematoriums been-det, dessen Errichtung bereits vor dem Krieg geplant war und nach 1918 besonders aktuell wurde.
Am 25. Juli 1937 wurde in Semil ein neues, das 13. Krematorium in der ČSR eröffnet. Es ist das erste mit elektrischer Verbrennungsanlage. Das Gebäude hatte Architekt Schejbal entworfen, die Baukosten betrugen eine Million Kronen. Die elektrische Verbrennungsanlage wurde von der Firma Brown Boweri anhand der im Schweizer Krematorium in Biel gewonnenen Erfahrungen installiert.
1919 funktionierten in Italien 30 Krematorien, in der Schweiz 14, in Frankreich sechs, in Großbritannien 14, in Deutschland 54, in den Niederlanden eines und in Skandinavien sechs. Das erste Krematorium der Schweiz wurde 1889 eröffnet und befindet sich in Zürich auf dem Friedhof Sihlfeld. 1876 entstand die erste europäische Einäscherungsanstalt in Florenz.