Anfang Juli eröffnete im ehemaligen Franziskanerkloster in Haindorf im Rahmen der diesjährigen Marienwallfahrt eine Ausstellung, die dem Lebenswerk des deutschen, im Riesengebirge geborenen Lehrers, Schriftstellers, Dichters und Graphikers Gerold Effert gewidmet ist.
Ehrengast war der Christdemokrat und ehemalige tschechische Kulturminister Daniel Herman. Im Sommer 2017 hatte der damalige bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle seinen Prager Amtskollegen in München für seinen Einsatz um die bayerisch-tschechische Verständigung mit einer Auszeichnung versehen. Nun eröffnete Herman die neue Ausstellung feierlich. Die Eröffnungsrede und die Begrüßung der Gäste aus Haindorf und Umgebung sowie der Wallfahrer erfolgten in deutscher und tschechischer Sprache. Anschließend beschrieb Otokar Simm aus Gablonz die Lebensgeschichte und das literarische Werk von Gerold Effert.
Ein Teil der Kultur der Region Nordostböhmen bleibt das Werk und das Erbe derer, die in dieser Region zur Welt kamen und gelebt haben. Unter ihnen befindet sich eine besondere Gruppe von Personen, die dort geboren wurden, aber nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten. Sie schufen dann in ihrem neuen Zuhause Werke, vergaßen aber nie, woher sie gekommen waren. Ihre Heimat inspirierte sie weiterhin in unterschiedlichem Maße bei dem Verfassen ihrer literarischen Werke.
Zu diesen Autoren gehört auch der Heimatschriftsteller, Dichter und Graphiker Gerold Effert, der aus dem Riesengebirge im Sudetenland stammt.
Gerold Effert wurde am 12. November 1932 in Bausnitz/Bohuslavice nad Upou im späteren Kreis Trautenau als Sohn des Lehrers Wilhelm Effert geboren. Sein Vater wurde im nahen Jungbuch (Mladé Buky) geboren, die Mutter in dem sächsischen Cottbus. Nach der Heirat zogen seine Eltern nach Bausnitz, wo sein Vater bis zur Vertreibung als Lehrer arbeitete. Gerold besuchte die Grundschule in seinem Geburtsort und in Jungbuch. Anschließend besuchte er die Oberschule in Trautenau. Nach einer unbeschwerten Kindheit kamen der Krieg und die anschließende Vertreibung. Über seine Heimat brach eine Welle des Hasses und der Vernichtung herein.
1946 wurde er als 13jähriger mit seinem jüngeren Bruder Peter und seinen Eltern aus seiner Heimat im Riesengebirge vertrieben.
In Deutschland fand die Familie Effert in Lispenhausen, heute ein Stadtteil von Rotenburg an der Fulda im osthessischen Kreis Hersfeld-Rotenburg, eine vorläufige Bleibe. 1953 konnte Gerold Effert in Rotenburg das Abitur ablegen. Danach studierte er Deutsch und Englisch an der Philipps-Universität in Marburg an der Lahn und an der Universität Bristol in Großbritannien.
Ab 1958 war er Gymnasiallehrer in Bad Hersfeld und später in Fulda. In den Jahren 1965 bis 1970 lebte er in Spanien, war Lehrer am Colegio San Miguel und arbeitete am Deutschen Kulturinstitut in Madrid. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde Effert Gymnasial- und Fachlehrer am Studienseminar in Fulda. Bereits 1962 hatte er seine Freundin Ursula geheiratet. Dem Ehepaar wurden zwei Kinder geboren. Seit 1964 war Effert neben seinem Beruf auch schriftstellerisch tätig und widmete sich der Literatur. Ohne Haß nahm er in seinen Büchern Abschied von seiner Riesengebirgsheimat.
Er schrieb Romane, Erzählungen, Parabeln, Kinderbücher und Essays, vor allem aber lyrische Beiträge, die er in mehr als 30 Büchern veröffentlichte. Prosa und Lyrik Gerold Efferts sind auch ins Englische, Niederländische, Italienische und Japanische übersetzt worden. Zu seinen bekanntesten Büchern gehört seine mehrteilige autobiographische Darstellung – eine Roman-Trilogie –, die mit der Geschichte der Deutschen in Böhmen in Zusammenhang steht. In dem 1991 erschienenen Buch „Unter dem Vogelbeerbaum“ beschreibt er seine Kindheitserinnerungen aus dem Sudetenland.
Auch in seinem zweiten Buch „Die Zeit im Wiesengrund“ (1994) schildert er seine Jugend. In dem 1997 erschienenen Buch „Die Insel im Fluß“ geht es um einen jungen Mann, der in Marburg eintrifft, um hier sein Studium der Germanistik und der Anglistik aufzunehmen. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Zugleich bricht die Vergangenheit in seine Gegenwart hinein, und seine Erlebnisse aus der Kindheit im Sudetenland kehren zurück. Auch in seinem Buch „Damals in Böhmen“ lässt Effert das Böhmen und die Stätten seiner Kinder- und Jugendzeit mit der so einzigartigen Landschaft wieder aufleben. In seinem Werk „Im Schneegebirge“ erzählt er seine Geschichten aus einem fernen Land, das vielen Menschen dennoch stets nah ist: aus Böhmen. An scheinbar geringfügigen Dingen machen sich Erinnerungen fest: an die kurze Freundschaft mit dem „Joschi“ genannten Jakob, an die verhasste Turnstunde,an den Nationalsozialismus, den Einmarsch der Roten Armee, an die Vertreibung der deutschen Bevölkerung. Die Schwierigkeiten eines neuen Anfangs werden geschildert, aber auch Reisen einzelner Menschen in die fremd gewordenen Dörfer und Städte
der Kindheit.
Das Buch „Im böhmischen Wind“ enthält mit zwei Literaturpreisen ausgezeichnete Erzählungen aus Böhmen. Darin wird das spannungsreiche Mit- und Gegeneinander der Menschen einfangen, die dort zusammen gelebt haben. Der böhmische Wind hat allen ins Gesicht geblasen, hat sie zusammengebracht und auseinandergerissen, hat die Deutschen nach der Kapitulation fortgeweht, in alle Welt zerstreut.
Doch über die im Land Gebliebenen ist er nach kurzer Zeit nur um so schärfer hinweggefegt. Manchmal treibt einen nach langen Jahren das Heimweh an die Stätten seiner Kindheit zurück; aber er findet ein zur Fremde gewordenes Land, von dem ihm der Abschied nicht schwerfällt. In diesen Erzählungen werden zwar Grenzen spürbar, doch schlagen die Geschichten auch Brücken der Versöhnung und der Freundschaft.
Seine literarischen Beiträge stehen in mehr als 60Anthologien, auch in Schullesebüchern, und wurden und von zahlreichen Rundfunkanstalten gesendet.In der Anthologie „Herztöne“ befinden sich auch Geschichten aus Böhmen.
Als Autor von Romanen, Kinderbüchern,Hörspielen, Erzählungen und zahlreichen Gedichte wurde er für sein literarisches Werk mehrfach ausgezeichnet. Hier die Reihe der zahlreichen Literatur- und Kulturpreise, die die hohe literarische Qualität seines Werkes belegen:
Sudetendeutscher Kulturpreis für Literatur und Publizistik 1969, Prosapreis der Literarischen Union 1977, Erzählpreis der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat und des Landes Nordrhein-Westfalen 1977, Hörspielpreis des Südfunks Stuttgart 1981, Poetenmünze 1983, Nikolaus-Lenau-Preis 1985, Bertelsmann-Literaturpreis 1986, Goldmedaille Recherche de la qualité 1987, Ehrengabe des Andreas-Gryphius-Preises 1988, Erster Preis beim Dillinger Kurzgeschichtenwettbewerb 1993, Erster Preis der Freudenstädter Lyriktage 2000, Erster Preis des Lyrikpreises der Künstlergilde Esslingen 2002.
Anfang April 2003 erhielt der damals 71jährige ehemalige Studiendirektor Gerold Effert für seine besonderen Leistungen auf kulturellem Sektor den mit 1500 Euro dotierten Kulturpreis der Stadt Fulda. „Gerold Effert hat mit seinen literarischen Arbeiten über lange Zeit zum kulturellen Leben in Fulda beigetragen“, erklärte der damalige Oberbürgermeister Alois Rhiel bei der Preisverleihung im Stadtschloß. Sein Name ist auch in dem Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder zu finden.
Sein literarisches Lebenswerk beinhaltet folgende Bücher: 1964 debütierte Gerold Effert mit seinem Buch der Erzählungen „Tagebuch einer Belagerung“. 1965 folgten Erzählungen „Über die Grenze“, 1967 Erzählungen „Das Christkind in der Baude“, 1972 Gedichte „Licht und Bitternis“, 1975 Erzählungen „Eisgang“, 1978 Parabeln „Der Rutengänger“, 1980 Gedichte „Atemspur“, Erzählungen „Die Ankunft der Hirten“, „Krähenflüge“, 1981 Gedichte „Schattengefecht“, Erzählungen „Früher Aufbruch“, 1982 Gedichte „Iberischer Sommer“, Kinderbuch „Das Treffen der Zauberer“, 1984 „Spiegelwelt“, 1985 Kinderbuch „Drei Brillen für Tobias“, Erzählungen „Im Böhmischen Wind“, 1986 Gedichte „An meinen Sohn“,1987 Gedichte „Flugsand“, 1988 Erzählungen „Miriam“, 1989 Erzählungen „Im Schneegebirge“, Erzählungen „Winterreise“, 1990 Erzählungen „Das fremde Mädchen“, 1991 Erzählungen „Galle im Honig“, Roman „Unter dem Vogelbeerbaum“, Erzählungen „Ein Abschied“, 1992 Gedichte „Bilderschrift“, 1993 Gedichte „Magischer Alltag“, 1994 Roman „Die Zeit im Wiesengrund“, 1995 Erzählungen „Sonnenvogel“, 1996 Erzählungen „Damals in Böhmen“, Gedichte „Dünnenlandschaften“, Erzählungen „Reise in den Süden“, 1997 Erzählungen „Im Netz“, Roman „Die Insel im Fluß“, 1999 Gedichte „Rote Sonne, Kupfermond“, 2000 Gedichte „Das Papierschiff“, 2003 Gedichte „Zikadenmusik“, 2007 Gedichte „Abend in der Lagune“ und Gedichte „Trost der Bäume“.
Neben seinen großartigen Fähigkeiten als Schriftsteller war Gerold Effert auch künstlerisch tätig. Mit seiner schriftstellerisch-zeichnerischen Doppelbegabung illustrierte er einige seiner Bücher selbst und stattete sie mit filigranen Radierungen aus. Er hatte umfangreiche kulturelle Interessen, war ein Kunstliebhaber, der Graphik, Gravuren, Radierungen und Skulpturen sammelte.
Mit seiner Frau Ursula besuchte er zweimal seinen Heimatort Bausnitz und die Umgebung. Er fand auch das Haus, in dem er bis zur Vertreibung mit seinen Eltern gewohnt hatte. Seine Tochter besuchte später ebenfalls das Riesengebirge, um nach den Spuren ihres Vaters und ihrer Großeltern zu suchen. Gerolds jüngerer Bruder Peter lebt in Fulda.
Gerold Effert starb unerwartet am 20. November 2007 in Fulda. Eine Woche vor seinem Tod hatte er noch seinen 75. Geburtstag im Kreise der Familie gefeiert. Seine Beerdigung fand drei Tage später statt. Gerold Effert zählt zu den interessantesten Persönlichkeiten Nordostböhmens. Die Ausstellung, die einen Einblick in die Vergangenheit des Heimatschriftstellers bietet, ist nur eine kleine Auswahl seines literarischen Schaffens. Sie entstand auf Initiative der Stadtgalerie MY in Gablonz in Zusammenarbeit mit Otokar Simm und Jan Strnad.
Großer Dank gilt Ursula Effert für die umfangreichen Informationen und das freundliche Entgegenkommen. Sie hat die ausgestellten Bilder und Bücher aus dem Nachlass ihres Mannes für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. Ohne ihre Hilfe hätte die Ausstellung nie realisiert werden können. Gerold Efferts Bücher und Graphiken werden zum ersten Mal in der Tschechischen Republik gezeigt und wurden nie ins Tschechische übersetzt. An der Vorbereitung dieser einzigartigen Ausstellung waren zahlreiche Menschen beteiligt.
Großer Dank gebührt vor allem Christa Gradl und ihren Mann Walter aus Fulda für ihre großzügige Hilfe und freundliche Unterstützung. Sie befanden sich auch unter den begeisterten Besuchern der Ausstellung. Deren Besucher kamen schnell ins Gespräch. In gemütlicher Atmosphäre wurde über die Kunstwerke diskutiert; es gab viele und interessante Gespräche. Nach einem Rundgang durch die Ausstellung wurde zu einem kleinen Imbiß eingeladen. Bei einem Glas Sekt konnten die Bücher und die Graphiken von den Besuchern bestaunt werden. Bei freiem Eintritt läuft die zweisprachige Ausstellung bis Donnerstag, 30. August täglich von 9.00 bis 18.00 Uhr.