Die wohl besten Fans auf dem náměstí Hyundai Fan Park geben ihre Abschiedsvorstellung, was Gerd Lemke bedauert.
Tschechen sind ja manchmal komische Leute und treffen eigenartige, ja geradezu widersinnige Entscheidungen, die daraus resultieren, dass ein Kompromiss gefunden werden muss, um allen Interessen gerecht zu werden. Vlk se sežral, ale koza zůstala celá… Ein Musterbeispiel dafür ist gerade wieder im Herzen der Finsterniss, also auf dem náměstí Hyundai Fan Park aka Altstädter Ring etc. zu besichtigen. Die Völker der Welt sind in Prag eingeladen, bei Bier, Prager Schinken, Würstchen und Trdelník dem Fußballgott zu huldigen. Weil die Verköstigung im Freien stattfindet, bedarf es auch Bedürfnissanstalten. Selbst daran haben die umsichtigen Organisatoren gedacht. Doch seit ca. zwei Tagen hat der Herr des Herzens der Finsterniss, wahrscheinlich aus der Eishockey-Nostalgie aufgewacht, sein missmutiges Auge auf das muntere Treiben geworfen und beschlossen, die mobilen Toiletten geschlossen zu halten. Und das bis abends um acht, dann darf dort gep… und gesch… werden bis zum anderen Morgen um acht.
Bitte, wie krank ist das denn, die Leute auf den Platz einzuladen, ihnen Speise und Trank zu offerieren, eine Reihe Toilettenhäuschen hinzustellen und dann zu sagen: Ätsch, ist aber geschlossen! Wer diesen Unsinn aus welchem Grund auch immer beschlossen hat, gehört sofort aus seiner Position entfernt und zum Reinigen der mobilen Bedürfnissanstalten verdonnert.
Lieber wende ich mich nun dem Fußball zu, als über Verantwortliche dieser Sauerei nachzudenken. Die koreanischen Fans verwandeln den Hyundai Fan Park in einen Hexenkessel. Sie sind bestens ausgestattet mit aufblasbaren Applaudierstäben, die noch während des Spiels verteilt werden. Hinzu kommen Trommler und Gong-Schläger und ein Fahnenträger, der ab und an vor der Leinwand läuft. Die Koreaner skandieren ihr „amingo“, so verstehe zumindest ich das, sind mit Sack und Pack, Kindern, Jugendlichen, Männern und Frauen, sogar einigen älteren Semestern gekommen und bieten schlichtweg die beste Fan-Choreografie bisher. Sie faszinieren mich fast mehr als das Spiel, in dem Park Il Sung nach fünf Minuten plus zwei Minuten Vorbereitungszeit einen Freistoß an den Pfosten hämmert. Die Menge ist natürlich vollkommen aus dem Häuschen und ich bedauere es, kein einziges Wort Koreanisch zu sprechen außer dem Wort für Fräulein: agashi (wie auch immer man das korrekt schreibt).
Doch der beste Spieler des Turniers gibt der Handvoll uruguayischer Fans schnell Grund zum Jubeln. Diege Forlan spielt einen unglaublichen Querpass und der mitgelaufene Suarez braucht nur einzuschieben. Das Spiel bleibt spannend und Korea schafft den Ausgleich, doch dann bekommt dieser Suarez wieder einen Ball, dreht sich und schießt aus dem Nichts den entscheidenden zweiten Treffer. Schade, denke ich, ich hätte die koreanischen Fans gerne weiter dabeigehabt, aber ich freue mich für Uruguay, die ein unerwartet starkes und sogar faires Team stellen.
Abends trifft dann ebenfalls recht früh Kevin Prince Boateng, das selbststiliserte Ghetto-Kind aus Berlin, das den Spuren des Vaters, die nach Afrika führen, gefolgt ist. Torwart Howard, ansonsten eine Bank, macht hier einen klaren Stellungsfehler. Die Amerikaner halten dagegen wie sie nur können und können per Elfmeter ausgleichen. In der ersten Verlängerung dieses Turniers setzt sich dann ein ghanaischer Stürmer energisch durch und erzielt den Siegtreffer, alles Aufbäumen der US-boys nutzt nichts.
Anderntags folgt der Klassiker Deutschland gegen England und ich frage mich die ganze Zeit trotz der deutschen Verletzungssorgen, woher die Engländer eigentlich die Sicherheit nehmen, Deutschland schlagen zu können? Wieso glauben sie, dass sie gegen Deutschland besser spielen als in der Vorrunde? Das Team der großen Namen hat keinen Mannschaftsgeist und deshalb glaube ich nicht an einen englischen Sieg, gleich wenn sie natürlich dieses Spiel durchaus gewinnen können.