Nachklapp auf das Finale und überhaupt den Abschluss sucht Gerd Lemke.
Nun ist es also geschafft! Wie mein Teamkollege Collin so schönt meinte, jetzt gibt es keinen Grund mehr, jeden Abend in den Biergarten zu gehen und unsinnig viel Bier in sich hinein zu kippen. Recht hat er, jetzt hilft eh nur noch die Tour de France und die hatte ausgerechnet am ersten Tag ohne Fußball (die vier, fünf Ruhetage während der WM sind geschenkt) auch ihren Ruhetag. Was half’s, musste man also selbst auf den Platz und zeigen, dass man die neuesten Trends der WM erkannt hat und nun versucht selbst umzusetzen.
Nach dem Spiel einigten wir uns – also die Anwesenden – relativ schnell darauf, dass Holland einen dreckigen Fußball gespielt hat, mit Fouls, die einzig den Gegenspieler verletzen sollten. Nigel de Jongs Tritt gegen den Brustkorb von Xabi Alonso war eine klare rote Karte und sollte ihm noch nachträglich drei Monat ohne Bewährung wegen versuchter lebensgefährlicher Körperverletzung einbringen. Wie König Johann (Cruyff), das holländische Pendant zum deutschen Kaiser Franz, bemerkte, hätte auch van Bommel in der ersten Hälfte vom Platz gehört. Tut mir leid, trotz aller Sympathien für Oranje, das war hässlich, abstoßend, einfach brutal. Das wollte wirklich niemand sehen.
Ist Spanien wirklich so gut, dass man nur so spielen kann, wenn man sie schlagen möchte? Ich glaube nicht so recht daran, auch wenn sie zum Abschluss der WM Deutschland und Holland ausgespielt haben. Gegen Paraguay taten sie sich enorm schwer und hatten das riesige Glück, dass die Südamerikaner viel zu spät gemerkt haben, dass sie den früheren Kolonisator besiegen können. Zu spät haben die Indios auf Offensive gesetzt, zu lange herrschte der Respekt vor den früheren Herren vor. Es fehlte ein Simon Bolivar auf dem Platz, um die Seinen mutig nach vorne zu führen.
Auch die Gruppenspiele Spaniens waren ja keineswegs rauschende Feste. Die Niederlage gegen die Schweiz war höchst unglücklich und unverdient, solche Spiele verliert man vielleicht eines von fünfzig. Honduras war in der Gruppe ja nur ein Sparringspartner und gegen Chile ging es bereits um sehr viel. Das Achtelfinale gegen Portugal war ein wahrer Weggucker – also mal Hand auf’s Herz, Spanien hat keinesfalls das große Spektakel geboten, sie haben sich im Turnier kontinuierlich gesteigert und konnte sich lange auf David Villa verlassen, der für die nötigen Tore gesorgt hat. Als Villa dann als Torschütze ausfiel, waren andere zur Stelle, mit Puyol auch mal ein wilder Abwehrabräumer (gegen Deutschland) und dann der famose Iniesta, der nur ganz wichtige Tore schießt, ansonsten generös darauf verzichtet. Iniesta war wohl der beste Mittelfeldspieler des Turniers (ich weiß nicht, ob es solch eine Wertung gibt), knapp gefolgt von Schweinsteiger.
Damit also zum Fazit: Meine Drohung verbaler Prügel hat genutzt, Diego Forlán ist zum besten Spieler des Turniers gewählt worden. Dass Thomas Müller bester Jungprofi wurde, war ja klar, der Mann durfte ja auch den goldenen Schuh als bester Torschütze mitnehmen. Warum in aller Welt Iker Casillas zum besten Torhüter gewählt wurde, wird mir immer schleierhaft bleiben. Sicher, er ist ein guter, ein sehr guter Torhüter, aber musste er sich denn überhaupt besonders auszeichnen während des Turniers? Das war sicherlich so eine Konzessionsentscheidung und Verbeugung vor dem Weltmeister.
Nun zu meiner persönlichen WM-Bilanz: Die Menge an Bier und die Anzahl der Zigaretten lassen sich im Nachhinein nicht mehr bestimmen. Doch habe ich mich meist erfolgreich bemüht, erst abends Alkohol zu mir zu nehmen. Über eine Woche lang habe ich mich von ca. 15 l Halászlé (ungarische Fischsuppe mit Unmengen Paprikapulver) ernährt und entschlackt. Zum öffentlichen Schauen habe ich drei verschiedene Kneipen auf der Letná aufgesucht, zusätzlich mehrfach den Altstädter Ring mit dem von Hyundai gesponserten Fan Park, den Biergarten in den Rieger-Gärten (Riegerové sady) sowie ein Mal eine Kneipe in der Altstadt namens Drunken monkey, wo sich amerikanische Sauftouristen mit tschechischem Billigstbier abschießen. Und eine Halbzeit im La casa blu, vertrieben durch Regen vom Altstädter Ring. Und zu Hause habe ich auch geschaut und dann natürlich zwei Spiele im Lobkowicz-Palast in der deutschen Botschaft, sicherlich der bizarrste Ort für so ein Ereignis – Barock und Fußball, das bietet einen durchaus reizvollen Kontrast.
Menschen habe ich in dieser Zeit auch kennen gelernt, aber ob diese Bekanntschaften nachhaltig sein werden, wird sich erst lange nach der WM zeigen. Und meine Gefühlswelt konnte ich durch all die Emotionen auch wieder ins Gleichgewicht bringen.
Als Fazit bleibt, dass ein erneuter dritter Platz die deutschen Spieler nicht mehr vom Hocker haut, da die meisten diesen dritten Platz bereits vor vier Jahren belegt haben. Ich bin damit zufrieden, es hat zwar kein Happy end gegeben – nicht für mich, nicht für die Mannschaft -, doch viel Ermutigung, auf dem richtigen Weg zu sein.
Weiter ruhig am Ball bleiben.