Prag - Tag 2: Schluss mit Vorspiel und auch mit dem Petting des Eröffnungsspiels. Heute ist Fußball pur angesagt. Freistöße, Fouls und gelbe Karten. Und vor allem: Keine Tore, kaum Chancen, gewürzt ohne eine Prise Spielwitz.
England steigt ins Turnier ein. Ich verabrede mich mit englischen Freunden (kann man englische Freunde haben?) zum Freiluftschauen.
Bin etwas spät dran und habe gleich alles verpasst. Als ich komme, stehts schon 1:0 und daran ändert sich nichts mehr. Ein Glück, dass auf der Großleinwand eh fast nichts zu erkennen ist.
Ich fühle mich, als würde ich Eishockey schauen. Das Spielgerät ist erst in der Zeitlupe zu erkennen. Vorher kann man nur an der Bewegung der Spieler erahnen, was passiert. Aber es passiert ja nichts mehr außer ein paar kernigen Fouls, die in der Zeitlupe noch besser aussehen als auf der sonnengeblendeten Leinwand in einem sonnen- und schattengetränkten Stadion.
„Beckham is a fag and Rooney a thug“
Zeit also, für einige Analysen. David Beckham ist schwul, seine englischen Mannschaftskollegen sehen bereits mit Bangen seinen feuchten Küssen nach einem Torschuss entgegen. Wayne Rooney bleibt auf der Bank, damit er keinen Public View Point zertrümmern kann. Und Peter Crouch wiegt tatsächlich nur 67 Kilo. Der Rat der vier Fußballwaisen hatte ja schon am Vortag mit zwei Stimmen zu zwei Enthaltungen England empfohlen, diesmal Weltmeister zu werden.
Das Land hat es wirklich am nötigsten. Gegner Paraguay hat das dann auch eingesehen und England mit einem Eigentor (was ich ja verpasst habe) Starthilfe geleistet. Ansonsten hat Paraguay so gespielt, als würde es immer noch 0:0 stehen sie es überhaupt nicht nötig hätten, irgendwas nach vorne zu unternehmen.
Schwamm drüber, meine englischen Freunde sind nach dem Spiel mehr denn je davon überzeugt, dass sie jetzt auf jeden Fall die WM gewinnen. Trotz des üblichen schlechten Torwarts.
„His five minutes of fame“
Zweites Spiel, Englands ehemalige Kolonie spielt gegen die IKEA-Auswahl. Und zeugt den Helden des Tages 2: Shaka Hislop. Wie, nie gehört den Namen? Ich auch nicht, dafür aber die Expertenrunde von der Insel. Denn Shaka Hislop hat mal in der dritten englischen Liga gespielt, beim FC Whimsbury.
Außerdem erhalte ich die interessanteste Nachricht, dass bei Trinidad (and Tobago as well) zum ersten Mal ein Weißer mitspielen darf. Der hat sich vor dem ersten Spiel dermaßen in die Hosen gemacht, so dass Trinidad (and Tobago as well)´s Käpt´n (we call him also skipper) ihn trösten musste. Er brauche keine Komplexe zu haben, nur weil ihn alle beim traditionellen Schwanzmessen ausgelacht haben.
Es sind sogar ein paar Schweden im Biergarten, die Sonne scheint immer noch und die schwedischen Spieler mit den gelben Jerseys und Sweeters sind kaum zu erkennen. Macht auch nichts, denn das Spiel endet ja 0:0 und wir feiern das Ergebnis wie einen Sieg. (Sorry, Schweden, aber ich muss meine Lebensbegleiterung ständig davon abhalten, aus unserer gemeinsamen Wohnung eine IKEA-Musterausstellung zu machen.)
Shaka Hislop hält den Sieg fest und es gibt auch die erste rote Karte des Turniers zu bestaunen. John, Nachfahre einer Sklavin auf der Zuckerrohrplantage und eines bengalischen Freibeuters, trifft in frei wählbarer Reihenfolge Mann und Maus, nein, Ball und Gegner, und darf zum vorzeitigen Duschen. Trinidad (and Tobago as well) spielt also ein Halbzeit nur mit zehn Mann. Und Shaka Hislop hat seine fünf Minuten Ruhm.
Zwischenfazit: England wird Weltmeister und Trinidad (and Tobago as well) könnte deutscher Achtelfinalgegner werden. Sorry, Schweden, aber wenn wir ins Finale wollen - und das müssen wir ja - dürft ihr die Gruppenphase nicht überstehen. Das habe ihr euch selbst eingebrockt mit euren Bettensortiment Gutvik und Nahvik.
Markus Merks belgischer Doppelgänger
So, die Pause zwischen den Spielen dehnt sich immer länger, wir wollen aber Fußball (und Bier) und möglichst keine Tore. Als reiner Fußball-Ästhet stört mich das alberne Jubeln anschließend, das den Spielfluss so abrupt unterbricht. Die WM beginnt jetzt erst richtig, denn Markus Merk pfeift das nächste Spiel, Argentinien gegen Elfenbeinküste. Unser Zahnarzt aus Kaiserslautern, von der FIFA als bester Kronenkorken des Jahres ausgezeichnet. Da kann ja nichts schief gehen.
Ich mochte eigentlich immer das argentinische Trikot und die Tatsache, dass ihr Fußballverband von einem Scheuermittel aus den 70er Jahren gesponsert wird. Doch die Engländer hassen Argentinien und wissen selbst nicht genau, warum. Den Falkland-Krieg haben sie gewonnen. Aber Maradonas Hand ist ungesühnt. Und überhaupt, Argentinien spielt so, wie es die Engländer hassen. Schnell, zielstrebig, torgefährlich und effektiv.
Dann aber plötzlich diese Mätzchen, versteckte Fouls, Schauspieleinlagen, schnödes Zeitspiel. Und Markus Merk fällt selbstverständlich mit großer und souveräner Geste darauf herein. Disgusting. Argentinien könnte gefährlich werden.
Nun gut, so endet der zweite Tag und schnell noch mal die Preisfrage: Welches Land nimmt an der WM 2006 teil, obwohl es das gar nicht mehr gibt?
Ihr deutscher WM-Beobacher in Prag
PS: Markus Merk hat sich extra ein belgisches Pseudonym zugelegt und heißt jetzt Der Bleckende.