Prag - Australien gewinnt weitere Sympathiepunkte hinzu. Gelost in die wohl schwerste Gruppe des Turniers spielen die Jungs von down under alles andere als niedergeschlagen und verlangen Spanien-Killer Holland einiges ab, ehe sie sich das Genick brechen lassen und trotzdem erhobenen Hauptes vom Platz getragen werden. Robben darf nach zwanzig Minuten ein mal den Turbo zünden und den ersten Treffer setzen, doch Cahill schlägt umgehend zurück. So sieht es auch in der zweiten Hälfte aus, Australien erhält einen etwas glücklichen Elfmeter und geht in Führung, doch van Persie gleicht quasi im Gegenzug aus.
Ich sitze in Fred’s Bar und lasse mir die Mineralwasser schmecken, anfänglich genieße ich sogar das Alleine-Sein. Doch dann gesellen sich ein paar Bekannte hinzu und es ist mit der Ruhe vorbei. Nur weil ich aus der Grenznähe zu Benelux stamme, muss ich mich sogar Sympathien für Holland verdächtigen lassen. Gott bewahre, einem Holland mit Nigel de Jong und ein paar anderen schweren Jungs sicherlich nicht. Australien hat die dicke Chance, in Führung zu gehen, vergibt und erhält im Gegenzug den Todesstoß. Das bedeutet Kofferpacken in einer Woche für die Spieler mit dem Kragen am Trikot, doch sie haben sicherlich nichts anderes erwartet. Ein mal können sie noch Spaß haben, wenn es zum Abschluss gegen Spanien um nichts mehr geht.
Spanien ausgebrannt
Es dauert nicht lange und Chile geht in Führung. Ich sitze im Casa Blu bei chilenischem Rotwein, der halbe Laden jubelt, auch die asiatisch aussehende Familie am Nebentisch entpuppt sich als Anhänger des schmalen Andenstaates. Spanien kommt in diesem Spiel nicht mehr zurück.
Gleich am Anfang konnte man schon sehen, wie dieses Spiel aussehen wird. Chile spielt schnell in die Spitze, Spanien bekommt vor dem eigenen Fünfer den Ball nicht recht weg und dann fälscht Xabi Alonso ein harmloses Schüsschen fast ins eigene Tor. Seine Miene sagt alles: Geht diese Scheiße schon wieder los. Und das geht sie dann, denn es dauert nicht lange und Chile geht in Führung. Ich sitze im Casa Blu bei chilenischem Rotwein, der halbe Laden jubelt, auch die asiatisch aussehende Familie am Nebentisch entpuppt sich als Anhänger des schmalen Andenstaates. Spanien kommt in diesem Spiel nicht mehr zurück. Müde, ausgebrannt, uninspiriert müht sich das vieldekorierte Team um Iniesta zwar um Struktur, doch die vielen Spiele stecken den Spitzenspielern in den Beinen. Außerdem erweisen sich die Stile von Atlético Madrid (spanischer Meister), Real Madrid (Champions League Sieger) und FC Barcelona (Tiki Taka) als unvereinbar, die Kreuzung bringt nur das Schlechteste der drei hervor. Casillas macht noch einen Fehler, er faustet einen Freistoß nach vorne, wo ein Chilene den Nachschuss einnetzt.
Anfang vom Ende liegt länger zurück
Die Stile von Atlético Madrid (spanischer Meister), Real Madrid (Champions League Sieger) und FC Barcelona (Tiki Taka) erweisen sich als unvereinbar, die Kreuzung bringt nur das Schlechteste der drei hervor.
Die zweite Hälfte ist schnell erzählt, haste Scheiße am Fuß und so weiter, denn die paar Chancen werden auch noch liegen gelassen. Gleich schreiben alle vom Tod eines großen Teams, dem Generationswechsel, dem Anbruch einer neuen Ära im Fußball und dergleichen. Tatsächlich gibt es Kommentatoren, die erkannt haben, dass Xavi mit 34 über seinem Zenit ist. Als hätte der nicht schon die ganze Saison kaum noch gespielt und verlässt Barca Richtung eines Scheichtums oder so. Iniesta und Xavi sind so wie Laurel und Hardy, der eine ist ohne den anderen nichts wert und der andere will ohne den einen erst gar nicht spielen.
Aber was ist wirklich passiert? Blenden wir zwei Jahre zurück, Europameisterschaft 2012. Wenn den Spaniern im Spiel gegen Kroatien nicht kräftig der Schiedsrichter hilft – grobes Foul von Sergio Ramos an Mandzukic im Strafraum bleibt ungeahndet – und Italiens Balotelli auf dem Weg zum zweiten italienischen Tor nicht noch zwischendurch den Schuh binden will, fliegen sie da schon in der Gruppe raus. Doch Spanien hatte Glück und die Zeit, gegen den Sparringspartner Irland ins Turnier und zu seiner Form zu finden.
Aus, aus, aus
Iniesta und Xavi sind so wie Laurel und Hardy, der eine ist ohne den anderen nichts wert und der andere will ohne den einen erst gar nicht spielen.
Zwei Jahre später, die Stützen des Spiels zwei weitere Jahre älter, die Temperaturen heißer, die Luftfeuchtigkeit höher und die Gegner motivierter. Spanien bleibt diesmal keine Zeit, ins Turnier zu finden und jemanden, der in der Spitze Gefahr ausstrahlt. Diego Costa bringt nichts zustande, Fernando Torres sucht seit drei Jahren seine Torgefährlichkeit, David Villa spielt nicht mit. Vorne ist also nichts und hinten mausert sich Iker Casillas zum schlechtesten Torwart des Turniers. Dazwischen herrscht Ratlosigkeit, Spanien ist ausgelaugt, ausgebrannt, ausgeschieden.
Kameruner Katastrophe
Das Nachtspiel sehe ich in Tobi’s Bar, in die sich nicht einmal eine Handvoll Schaulustige eingefunden hat. Wir sehen die schlechteste Mannschaft des Turniers. Ich weiß nicht, ob es trotz oder wegen Volker Finke ist. Hinten passt Kamerun nicht auf, es steht schnell Nulleins (Ivica Olic), im Spiel sind sie undiszipliniert (Platzverweis für Song wegen Tätlichkeit) und es wechseln sich gute Einzelaktionen mit grober taktischer Unpässlichkeit ab. Kroatien spielt die Überzahl locker herunter, zwei Mal Mandzukic und Perisic schießen ein ungefährdetes Viernull und ein entscheidendes Spiel gegen Mexiko ums Weiterkommen heraus.
Kamerun hingegen fährt nach Hause, besser früher als später, denn wie es um den Mannschaftsgeist bestellt ist, zeigt eine Szene kurz vor Schluss. Nach einem der wenigen guten Angriffe zwingt ein Kameruner den kroatischen Torwart per Kopfball zu einer schönen Parade. Dann geraten zwei Kameruner aneinander und fangen beinahe noch auf dem Platz eine Schlägerei an, ein dritter, sicher mit Mediatorenausbildung, muss schlichtend eingreifen. Das wirft die Frage auf: Darf der Schiedsrichter in einem solchen Fall beide Spieler derselben Mannschaft vom Platz stellen?
Gerd Lemke